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Potsdam-Mittelmark: Zu Besuch beim Bockwindmüller

Ulrich Hyna wird die Beelitzer Mühle mit Leben füllen – damit geht für ihn ein Traum in Erfüllung

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Beelitz - Zum ersten Mal nach hundert Jahren sollen sich heute wieder die Flügel der Beelitzer Bockwindmühle drehen. Gespannt hatten in dieser Woche die Mitglieder des Fördervereins und Bürger der Stadt den Wiederaufbau des Hauses verfolgt (PNN berichteten). In nur anderthalb Stunden wurde das Vorhaben mit dem Anbringen der Flügel am Mittwochmorgen weitgehend abgeschlossen. Ein Beelitzer sieht dem ersten Flügelschlag besonders freudig entgegen: Der künftige Müller Ullrich Hyna.

Während in den letzten Ecken noch Hand angelegt wird, ist er immer wieder zwischen den Etagen unterwegs, die weiße Latzhose weist ihn als künftigen Hausherrn aus. Hyna kommt her, so oft er kann, bespricht mit dem Förderverein die Einzelheiten für die Premiere oder schaut den Mühlenbauern über die Schulter. „Die letzten Tage waren wie eine zweite Lehrzeit für mich“, sagt er. Welcher Müller ist schon bei der Errichtung seines späteren Arbeitsplatzes dabei? „Ich habe mir alles genau angeschaut.“ Es sei faszinierend, wie die Handwerker um Baumeister Hans-Jürgen Zecher und dessen Sohn Martin jedes Teil genau angepasst haben. Der neue Chef des mecklenburgischen Familienbetriebes setzt gerade die Jalousien in die Flügel während der Vater die Mahlsteine mit dem Hammer bearbeitet und kleine Furchen hineinschlägt.

Für Ullrich Hyna ist es eine Reise zurück in seine Kindertage im Kyffhäuser-Gebirge: Damals hatte er mit einem Freund oft in der Wassermühle von dessen Vater gespielt. „In meinem Heimatort Rottleben gab es drei solcher Mühlen, das hat geprägt“, sagt er heute. Die Faszination von drehenden Holzrädern und dem Wandel von Korn zu Mehl hatte gewirkt, denn nach der Schule machte er eine Ausbildung zum Müller. Allerdings ging es im Arbeiter- und Bauernstaat der 70er Jahre zunehmend um industriemäßige Produktion, für Nostalgie blieb da kaum Platz. Einen Großteil der Lehre absolvierte er in einem Kraftfutter-Mischwerk. Ein weiterer Teil befasste sich mit der Qualitätsprüfung von Mehl – und das Labor dafür war in einer der Wassermühlen am Ort untergebracht. Vor rund dreißig Jahren verschlug es Ullrich Hyna nach Beelitz: Hier gab es Arbeit und eine Wohnung für ihn und seine Frau. Seitdem hat er die verfallene Bockwindmühle an der Trebbiner Straße nicht aus den Augen verloren. Denn das Korn hat sich zwar wie ein roter Faden durch sein Leben gezogen – in Thüringen arbeitete er beim VEB „Getreidewirtschaft Artern“, anschließend in Beelitz bei der LPG „Geflügel und Schafzucht“ – aber die Müllerei an sich konnte er nicht betreiben. Als sich dann vor sechs Jahren der Förderverein gründete und einen Betreiber für die künftige Mühle suchte, stand er sofort bereit. Seitdem hat er viele Gespräche mit anderen Müllern geführt, unter anderem mit seinem früheren Meister. Dann hat er sich in der Potsdamer Sanssouci-Mühle zum Windmüller umschulen lassen.

Die alte Mahltechnik ist alles andere als einfach, in technischer und körperlicher Hinsicht, immerhin müssen zentnerschweren Getreidesäcke bis nach oben getragen werden. Die Mühle in den Wind zu drehen und dann den Arbeitsprozess gleichmäßig am Laufen zu halten, erfordert einiges Geschick. Vom Korn zum Schrot, vom Schrot zum Mehl – dafür will sich Hyna auch der ebenfalls historischen Rüttelbank und Schrotmaschine bedienen. Die kamen hier ab 1906 zum Einsatz, als der Strom nach Beelitz gelangte. Seitdem hatten die Flügel geschwiegen.

„Der Blick aus diesen kleinen Fenstern entschädigt für alle Anstrengung“, verkündet der Müller feierlich. Wie in einem Bilderrahmen von 50 Zentimetern Durchmesser liegt ein Stück Landschaft. Genüsslich nimmt er das leise Knarren im Gebälk wahr, den Holzgeruch und das leichte Schaukeln bei einem Windstoß. Obwohl fast 80 Prozent der Mühle durch nachgefertigte Teile ersetzt werden mussten, wird das Haus immer noch mit dem Geist früherer Zeiten erfüllt. 1453 wurde für Beelitz erstmals eine Mühle erwähnt, das ergaben jüngste Recherchen. Sechs solcher Bauten hatte es dereinst hier gegeben.

An den Wochenenden und unter der Woche nach Absprache soll die Mühle in Betrieb gehen. Ullrich Hyna will dennoch so oft wie möglich hier sein. Er könne sich sogar vorstellen, Mehl für die örtlichen Bäckereien zu produzieren und das Haus dauerhaft mit Leben zu füllen. Er ist jetzt 52 und arbeitet zurzeit als selbstständiger Betonsanierer. Gern würde er seinen Berufsweg als „hauptamtlicher“ Beelitzer Bockwindmüller krönen. In Anbetracht des Gesamtkonzeptes zum Betrieb der Mühle in Verbindung mit Museum, Mühlengarten und dem Spargelhof, der im nächsten Jahr eröffnen soll, ist auch dieser Traum zum Greifen nah.

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