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Potsdam-Mittelmark: Zu wenig Moos für Gärtner
Gärtnereibetriebe in der Region Werder plagt Nachwuchsmangel. Ausbildungszahlen gehen zurück
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Werder (Havel) - Wer Gärtner werden will, ist Überzeugungstäter. Die Ausbildung ist umfangreich, körperlich anstrengend und die Vergütung kaum attraktiv. Laut Gartenbauzentralverband verdient ein Auszubildender in den neuen Bundesländern im ersten Lehrjahr durchschnittlich 440 Euro. Im Westen ist es nicht viel mehr. Das dritte Ausbildungsjahr wird im Schnitt mit 583 Euro vergütet, sofern der Lehrling so lange durchhält. Im Vergleich verdient ein Mechatroniker-Azubi laut Bundesinstitut für Berufsbildung durchschnittlich 943 Euro.
Stefan Lindicke vom gleichnamigen Obsthof in Werder (Havel) hat derzeit keinen Lehrling im Betrieb, obwohl er gerne ausbilden würde. „Vor zehn Jahren kamen 20 bis 25 Bewerber auf eine Stelle“, sagt Lindicke den PNN. Heute könne sein Familienunternehmen froh sein, überhaupt jemand Qualifiziertes zu bekommen.
Ganz ähnlich geht es Thomas Giese, dem Geschäftsführer der Havelfrucht, einem der größten Obstbaubetriebe der Region und Zulieferer für Werder Frucht. Giese hat er derzeit keinen einzigen Auszubildenden im Betrieb. „Den letzten hatte ich 2014, der hat abgebrochen“, sagt er. Für diese Ausbildungssaison habe sich ein einziger Bewerber gemeldet. „Da warte ich aber schon seit zwei Monaten auf die Bewerbungsunterlagen“, zeigt sich Giese resigniert.
Seit Jahren ist der Gärtnerberuf auf dem Rückzug. Nicht nur in Brandenburg, bundesweit ist der Trend erkennbar. 2010 wurden in ganz Deutschland 5715 Lehrlinge zu Gärtnern ausgebildet. Dazu gehörten unter anderem Obstbauern, Staudengärtner, Gemüsebauern und Friedhofsgärtner. 2014 waren es 4860 Lehrlinge. Grund für den Rückgang sei der demografische Wandel, heißt es im aktuellen Gartenbaureport des Zentralverbands. Aber auch die Verdienstmöglichkeiten spielen eine Rolle.
„Der Gärtnerberuf steht mit anderen Ausbildungsmöglichkeiten im Wettbewerb“, sagt Andreas Jende, Chef des Gartenbauverbandes Berlin-Brandenburg. „Gegen öffentliche Einrichtungen wie Bundeswehr oder Polizei als Ausbilder haben wir gar keine Chance“, sagt Jende. Diese Konkurrenz bringt Brandenburg Nachwuchssorgen. Aus Sicht der Jugendlichen, die den ersten Schritt auf der Karriereleiter machen wollen, ist die Entscheidung für einen besser bezahlten Job nachvollziehbar. Immerhin haben laut brandenburgischem Landwirtschaftsministerium noch 74 Lehrlinge im Herbst 2014 eine Ausbildung in einem Gartenbaubetrieb begonnen.
Der Konkurrenzdruck auf dem Ausbildungsmarkt ist auch für Lindicke spürbar. „Irgendwann werden die Betriebsnachfolger fehlen“, fürchtet der Obstbaumeister und steht mit seiner Meinung nicht allein da. Größere Betriebe würden sich mit Quereinsteigern behelfen, so Giese. Eine zukunftsfähige Lösung sei das nicht. „Derzeit dreht sich die Spirale nach unten“, sagt Gartenbauverbandschef Jende. Nicht nur gute und qualifizierte Fachkräfte blieben irgendwann aus, sondern am Ende auch die Unternehmen. Laut Jende gab es 2003 in Brandenburg noch 384 Gartenbaubetriebe, 2013 waren es nur noch 200.
Eine Lösung für das Nachwuchsproblem scheint nicht in greifbarer Nähe. Zwar versucht der Gartenbauzentralverband mithilfe einer eigens eingerichteten Homepage www.beruf-gaertner.de, YouTube-Filmen, Flyern und Engagement in sozialen Netzwerken das Image des Gärtnerberufs aufzupolieren. Das Landwirtschaftsministerium versucht seit 2012, mit dem Modellprojekt „Abenteuer Gärtnerei“ den Nachwuchs zu fördern. Doch einen positiven Effekt gebe es noch nicht, so Jende. Vielmehr müsse sich etwas in der Politik bewegen.
„Bei Lohnkosten in den Gärtnereibetrieben, die um die 40 bis 60 Prozent liegen, braucht es Eigenkapitalverbesserung und Förderung für die Betriebe“, sagt er. Auch die Unternehmen sieht Jende in der Pflicht. Das Interesse am Gärtnerberuf müsse früh geweckt werden, spätestens in der Schule. „Der Gang in die Schulen erfolgt in der Regel über die ausbildenden Unternehmen, aber das ist durchaus ausbaufähig“, sagt Jende.
Obsthofbetreiber Lindicke wünscht sich, dass der Beruf des Gärtners in der Öffentlichkeit besser anerkannt wird. „Wir sind Lebensmittelproduzenten, und die Bezahlung ist mit dem eines Raumpflegers vergleichbar“, sagt er. Thomas Giese von Havelfrucht sieht das ähnlich, verurteilt im selben Atemzug die Regierung. Der Mindestlohn sei für die Branche eine blanke Katastrophe.
Björn Stelley
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