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Aus dem GERICHTSSAAL: Zufällig auf Marihuana gestoßen

Cannabisplantage im Visier der Polizei

Stand:

Werder (Havel) – Eigentlich war die Polizei den Betreibern einer Cannabisplantage in Werder auf der Spur. Als die Beamten am 24. Oktober vorigen Jahres das verdächtige Anwesen durchsuchten, entdeckten sie per Zufall in der Wohnung des damals 18-jährigen Nico N.* Marihuana in einer Größenordnung, die auf Handeltreiben schließen ließ. Außerdem stellten sie Ecstasy-Pillen und diverses Drogenzubehör sicher.

Die Cannabis-„Bauern“ müssen sich in einem Parallelverfahren vor dem Strafgericht verantworten. Nico N. sitzt vor der Jugendrichterin. Ob er auch in die Aufzucht der berauschenden Pflanzen involviert war, bleibt im Dunklen. Sein Verteidiger rät ihm, zu diesem Punkt zu schweigen. Er ist nicht Gegenstand der Anklage. Den regelmäßigen Verkauf an Gleichaltrige – etwa 20 Mal zwischen Januar und Oktober 2007 – gesteht Nico N. freimütig. „Heute schäme ich mich dafür. Ich habe mein Leben drastisch geändert“, betont er in seinem letzten Wort. Jugendrichterin Rita Franke glaubt ihm, setzt die Entscheidung über die Verhängung einer Strafe für die Dauer eines Jahres zur Bewährung aus. Allerdings muss Nico N. 1500 Euro Buße an die AWO-Suchtberatung zahlen.

Mit 15 Jahren hatte Nico aus Neugier die ersten Joints geraucht. Dann konsumierte er regelmäßig mit Gleichgesinnten. Den „Stoff“, meist Marihuana, bezog er aus Berlin. Namen seiner Dealer will er nicht nennen. Kindergeld und Halbwaisenrente hätten gereicht, seine Sucht zu finanzieren. „Manchmal habe ich auch bei meinem Stiefvater in der Firma ausgeholfen und mir ein bisschen was dazuverdient“, erzählt der junge Mann. „Oder meine Oma hat mir etwas zugesteckt.“ Dann sei ihm die Idee mit dem Drogenhandel gekommen. Alle zwei Wochen habe er etwa 100 bis 200 Gramm für den Weiterverkauf erworben. „Mein Gewinn lag pro Gramm zwischen 1,50 und zwei Euro. Er reichte gerade, den eigenen Bedarf zu decken“, so Nico N. Im Gegensatz zu dem eher minderwertigen und daher kostengünstigen Marihuana, das seine Abnehmer erhielten, habe er für sich auf Qualität geachtet, erzählt der Angeklagte. In dieser Zeit sei die Schule zur Nebensache geworden. „Ich habe die 12. Klasse wiederholt, um meine Leistungen zu verbessern. Aber es hat nicht geklappt. Ich war einfach faul“, schätzt Nico N. ein. Dann ging die Firma des Stiefvaters pleite. Die Familie entschloss sich, nach Norwegen auszuwandern. „Ich arbeite in der Firma, in der mein Stiefvater schon seit drei Jahren beschäftigt ist, als Trockenbauer und Zimmermann“, berichtet der Ex-Werderaner. „Der Arbeitsmarkt ist dort viel fortgeschrittener. Am liebsten würde ich Dolmetscher werden. Ich spreche fließend russisch, das wird in diesem Land gesucht. Drogen sind jetzt für mich kein Thema mehr.“

„Wir haben heute nur die Spitze des Eisbergs abgegriffen“, ist sich der Staatsanwalt sicher. „Die vom Angeklagten begangenen Straftaten wurden durch das Umfeld begünstigt.“ Die Vorsitzende würdigt das umfassende Geständnis des inzwischen 19-Jährigen. „Dadurch hat er uns eine langwierige Beweisaufnahme erspart.“ (*Name geändert.) Hoga

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