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KulTOUR: Zunehmend heiter

Silvesterkonzert mit „quartetto tonale“ in der Petzower Schinkelkirche

Werder (Havel) - Warum ist Weihnachten eigentlich immer so ernst, obwohl man doch weiß, was da kommt, Silvester hingegen stets nur heiter, obwohl kein Mensch vom Künftigen weiß? Wie auch immer, zum Jahreswechsel jedenfalls ist Party angesagt, oder man geht „zur Kultur“. Nach Petzow zum Beispiel, auf den Berg, zur Schinkelkirche, wo der örtliche Heimatverein ein schickes Silvesterkonzert im Doppelpack anbot. Die Nachfrage war derart groß, dass die Plätze nummeriert werden mussten.

Mit dem Berliner „quartetto tonale“ hatte man ein inzwischen traditionsreiches Streicher-Ensemble verpflichtet, das weder vor Klassik noch vor „gehobener Salonmusik“ oder gar „musikalischen Scherzen“ zurückschreckt. Mit einer Melange aus allem wollten die vier charmanten Damen Silke Grässl und Almut Witt (1. und 2. Violine) sowie Astrid Hengst (Viola) und Gesine Conrad (Cello) ihre Gäste von Weihnachten aus ins neue Jahr führen, sozusagen „gestrichen und gezupft“. Davon versteht die alerte Quadriga so allerhand, wie man bald merken sollte.

Zuerst aber gab es in Schinkels „Kulturkirche“ einen Orgel-Prolog, Robert Schumanns „Silvesterlied“. Markus Belsz gab ihm freilich einen so trauernd-seufzenden Charakter, dass man sich fragte, ob da irgendwo einer gestorben sei. War aber nicht, obwohl auch das „quartetto tonale“ das neunzigminütige Konzert mit Johann Pachelbels „Kanon“ erstaunlich langsam und „ernst“ angehen ließ. Arcangelo Corellis Concerto grosso op. 6 Nr. 8, auch „Das Weihnachtskonzert“ genannt, quittierte das Publikum satzweise mit Beifall. Eine gefällige, kultivierte Darbietung. Dann verließ man die harte Zeit der „Rauhnächte“.

Das kurze, aber deutlich beschwingtere Stück „Petersburger Schlittenfahrt“ dürfte bekannter sein als ihr Komponist Eilenberg. Noch anmutiger gelangen dem 1994 gegründeten Quartett dann Einblicke in Tschaikowskis geheimnisvolle Welt des „Nussknackers“, wenn auch gelegentlich mit rumpelkammerähnlichen Erinnerungen behaftet. Hübsch. Aus der „gediegenen“ Ecke des Musiklebens Johannes Brahms Ungarischer Tanz 5 sehr elegant, aus der Rubrik „Musikalische Scherze“ originelle Miniaturen wie „Spieldose“ und „Katzenständchen“, auch musikalisch gut bewältigt. Ach, hätten die Soldaten nach solchen Klängen des tschechischen Militärmusikers Anton Razek exerziert, wär so manches Kriegsspiel ausgefallen!

Nach etwas Polka und Tango waren dann noch zwei Stücke des US-Komponisten Leroy Anderson zu hören, das vortrefflich gezupfte „Plinc Planc Plunc“ sowie der etwas asynchron geratene Part „The Typewriter“ mit und für eine Schreibmaschine.

Verbal gab es dann ein bisschen Statistik für Statistiker dazu. Eine der Streicherinnen hatte mal ausgerechnet, wie viele Noten der Herr Corelli in seinem gerade gehörten Konzert aufgeschrieben und wie viele Noten das Ensemble 2011 überhaupt gespielt hatte. Immens viele! Dabei wurden so viele „Bogenhaare“ verbraucht, wie ein rechtschaffendes Pferd gewöhnlich Haare am Schweif hat. Solche Musik-Interna hört man auch nicht alle Tage!

Mit Johann Straußens „Tritsch Tratsch Polka“ wurde das sichtlich erfreute Publikum dann in den Jahreswechsel entlassen. Alles gut, alles paletti. Auch mit Standards, Augenzwinkern und ein paar synchronen Körperbewegungen kann man also sein Publikum auf das unbekannte Neue einstimmen. Was allerdings fehlt, ist eine ordentliche Tonanlage für die Ansagen. Na denn rückwirkend: „Prost Neujahr!“ Gerold Paul

Gerold Paul

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