
© Thomas Lähns
Potsdam-Mittelmark: Zwei Superstars im Sommerhaus
Albert Einstein und der Dichter Tagore – Ausstellung zu denkwürdigem Zusammentreffen in Caputh
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Schwielowsee - Die beiden Männer auf dem Foto könnten kaum unterschiedlicher aussehen: der eine in einem schwarzen Anzug, mit zurückgekämmten Haar und dunklem Schnauzbart, der andere in einem seidig glänzenden Gewand und mit weißem, wallenden Bart. „Aber achten Sie auf die Augen, die beiden sahen Dinge, die wir nicht sehen“, fasst Sudhir Vyas die geistige Verwandtschaft von Albert Einstein und Rabindranath Tagore zusammen. Tatsächlich scheinen die beiden durch den Fotografen hindurch auf einen weit entfernten Punkt zu blicken.
Sudhir Vyas, seit 2009 indischer Botschafter in Berlin, hat gestern die Ausstellung „Spuren verstreuter Kontinuität“ in Einsteins Sommerhaus in Caputh eröffnet. Anlass ist der 150. Geburtstag Tagores am 8. Juli. Der deutsche Physiker und der indische Dichter trafen sich 1926 zum ersten Mal, 1930 blieb Tagore für mehrere Wochen in Einsteins Sommerhaus in Caputh. Dort diskutierten die beiden Nobelpreisträger Fragen der Musik, der Philosophie und ihr Engagement für Frieden und Gewaltlosigkeit.
Kurator Andor Carius ist bei seiner Arbeit streng dokumentarisch vorgegangen, die Ausstellung versammelt Zeitungsmeldungen, Karikaturen und Fotografien aus der Zeit. Auch ein Brief Einsteins an Tagore zu dessen 70. Geburtstag ist darunter. Einstein lobt den „milden und feinen Sinn“, den sein Freund verbreite. „Du sahst Rettung in stiller Betrachtung und den Werken der Schönheit.“ Der Brief macht auch das intellektuelle Niveau deutlich, auf dem die beiden miteinander sprachen. Gleich gegenüber sind einige von Tagore gemalte Bilder zu sehen, modern anmutende, abstrahierte Szenen in warmen, erdigen Farben. Sie waren ein Geschenk Tagores an die Familie Mendel, über die er auch Einstein kennengelernt hatte.
„Für Indien ist Tagore mehr als die Summe seiner Teile, nicht nur Philosoph, Maler oder Musiker“, sagt Sudhir Vyas. „In seinem Werk symbolisieren sich alle Aspekte, die Indien ausmachen.“ Eines seiner Lieder, „Jana Gana, Mana“, ist heute die indische Nationalhymne. Die Literatur des Sozialreformers traf einen Nerv im krisengeschüttelten Europa nach dem Ersten Weltkrieg. „Nachdem das Christentum seine Alleinstellung als Sinnstifter eingebüßt hatte, befand sich das europäische Bürgertum quasi in einem weltanschaulichen Vakuum“, erklärt die Religionswissenschaftlerin Rita Panesar. Tagores Theorien vom spirituellen Osten und dem materiellen Westen hätten perfekt in die Zeit gepasst, in der auch erste anthroposophische und reformpädagogische Ansätze entstanden, so Panesar.
Einstein und Tagore trieb aber vor allem eine Frage um: Gibt es eine übergeordnete Wahrheit, Gesetze also, die auch gelten, wenn der Mensch nicht existiert? Einstein war davon überzeugt. Tagore sah das anders, alles werde erst durch die menschliche Wahrnehmung wahr. Den Satz des Pythagoras etwa würde es ohne Menschen, die ihn denken, nicht geben.
Dass Wahrheit flexibel, oder, um es mit Einstein zu sagen, relativ ist, machten auch die Medien jener Zeit deutlich. „Sowohl Einstein als auch Tagore waren gefeierte Superstars“, sagt Carius. Die Treffen der beiden wurden aufmerksam dokumentiert. „Das hat dazu geführt, dass viele Bilder, die die beiden zusammen zeigen, falsch datiert sind“, so Carius. Im Aufmerksamkeitsrummel sei irgendwann untergegangen, dass sie sich erst 1926 kennengelernt hatten. All das erschließt sich allerdings nicht durch die Ausstellung alleine: Es fehlen erklärende Elemente. Ein weiteres Manko: Das Einsteinhaus hat auch während der Ausstellung nur an den Wochenenden (10-18 Uhr) geöffnet.
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