Potsdam-Mittelmark: Zweiter Urnengang ist kein Selbstläufer
Warum Stahnsdorfs Bürgermeisterkandidaten gut beraten sind, für die Stichwahl mobil zu machen
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Stahnsdorf - Am Abend des 1. Juni sah man kurz nach 20 Uhr Rainer Rozansky durch Stahnsdorf laufen und Wahlplakate abnehmen. Es waren seine eigenen. Zwei Stunden, nachdem die Wahlkabinen geschlossen hatten, war klar, dass der Bürgermeister-Kandidat der Linken ausgeschieden war. Ruth Barthels von der SPD und Bernd Albers von den „Bürgern für Bürger“ machten indes das Rennen und qualifizierten sich für die Stichwahl am 22. Juni.
In knapp einer Woche sind 11 043 wahlberechtigte Stahnsdorfer erneut aufgerufen, ihren neuen Bürgermeister zu wählen. Acht Tage bleiben Zeit, den Wählern zu vermitteln, weshalb sie noch einmal ihr Kreuz machen sollen. Primär hat SPD-Kandidatin Barthels den Grund, nochmal abzustimmen, mit einem gelben Zusatzzettel auf ihre Wahlplakate geklebt: „Kompetenz wählen“. Doch haben die Kandidaten auch aus anderem Grund ein nachhaltiges Interesse, möglichst viele Stahnsdorfer nochmals zum Urnengang zu animieren. Denn der Wahlsieger braucht laut gesetzlicher Vorgabe mindestens 15 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten. Das bedeutet, dass es eine Wahlbeteiligung von mindestens 31 Prozent geben muss. Wird dieses Quorum nicht erreicht, bestimmt laut Brandenburgischen Kommunalwahlgesetz die amtierende Gemeindevertretung den neuen Bürgermeister. In Stahnsdorf würde das bedeuten, dass die bislang agierende Mehrheit von CDU, FDP und „Wir Vier“ das entscheidende Wort hat. Selbstredend, dass dies nicht im Interesse der Sozialdemokratin Barthels ist, die daher in den vergangenen Tagen ihren Wahlkampf noch einmal mächtig ankurbelte.
Auch Bernd Albers „will direkt von den Stahnsdorfern und nicht von Vertretungs Gnaden gewählt werden“. Aus gutem Grund: „Ich trete als unabhängiger Kandidat an und würde diese Unabhängigkeit aufgeben, würde meine Wahl von Gemeindevertretern abhängig sein.“ Und er würde sich in einem seiner Vorhaben beschneiden. Denn er wolle als Bürgermeister die zurzeit zerstrittenen politischen Kräfte im Ort bündeln und zwischen den Parteien moderieren. Daher gelte: Je freier, desto besser. Aus diesem Grund setze er auch weiter ausschließlich auf Straßenwahlkampf und buhle nicht um Empfehlungen bereits ausgeschiedener Parteien wie der CDU. Ohnehin glaubt Albers, dass die Stahnsdorfer aus eigener Überzeugung wählen und ihr Kreuz nicht nach parteipolitischen Anweisungen machen.
Aber Albers schwant, dass der zweite Urnengang kein Selbstläufer wird. Anhaltende Wahlmüdigkeit, Politikverdrossenheit und Desinteresse lähmen die die Wahllust der Deutschen generell. Im speziellen Stahnsdorfer Fall mag sich dem ein oder anderen Wähler der erneute Wahlaufruf nicht erschließen: der persönliche Favorit ist raus, die Sympathien für die Verbliebenen vielleicht begrenzt, das eigene Wahlziel, jemanden als Bürgermeister verhindert zu haben, ist bereits erreicht. Doch das sind gefährliche Motive, nicht zu wählen. Denn die Erfahrung zeigt, dass der Wählerschwund zwischen erstem und zweitem Gang beachtlich ist. So beteiligten sich bei der Bürgermeisterwahl 2003 in der Gemeinde Groß Kreutz zunächst 54,6 Prozent – bei der Stichwahl nur noch 43,1 Prozent. In Michendorf sank die Wahlbereitschaft von 56,9 auf 35,1 Prozent. Und in Nuthetal wurden bei der Stichwahl gar 18 Prozent weniger Stimmen gezählt. Gebe es einen solchen Aderlass in Stahnsdorf, wäre Volkes Stimme zu schwach, um den neuen Bürgermeister zu wählen: Beim ersten Urnengang vor zwei Wochen lag die Wahlbeteiligung bei 41,19 Prozent.
Aber auch das zeigt die Erfahrung: In der Geschichte des Landes Brandenburg gab es noch keine Bürgermeister-Wahl, bei der das Ortsparlament das letzte Wort hatte.
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