Von Thomas Lähns: Zwischen Gotteshaus und „Meckerecke“
Teltow weiht öffentliche Anlagen in der Altstadt ein und pflegt damit das alte Ackerbürger-Erbe / 238 000 Euro für den Kirchplatz
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Teltow - Die schwarze Ziegenbock blickt etwas grimmig in Richtung Rathaus. Gerade er sollte aber eigentlich nichts zu meckern haben – schließlich ist es der Stadtspitze zu verdanken, dass er hier stehen darf. Und natürlich Wolfgang Dahms: Der Teltower hat den Bau der lebensgroßen Bronzeskulptur und deren Aufstellung an der Ecke Linden-/ Breite Straße initiiert. „Früher haben hier die Ziegen gemeckert, jetzt können die Bürger herkommen“, sagt er. Ein „Speakers Corner“ wie in London solle der Teltower Zickenplatz künftig sein: Wem etwas nicht passt, der erzähle es dem Bock oder den Bürgern, die sich um ihn herum versammeln. Und wenn mal jemand mehr zu meckern hat, kann man sich auf einer der neuen Bänke niederlassen.
Gleich zwei zentrale Anlagen in der Teltower Altstadt sind gestern feierlich eingeweiht worden: Neben dem Zicken- wurde auch der neue Kirchplatz an die Bürger übergeben. Beides sind Orte von historischer Bedeutung für die einstige Ackerbürgerstadt: Zum Zickenplatz brachten die Einwohner bis ins 19. Jahrhundert täglich die Ziegen. Hier übernahm ein von der Stadt bestellter Hirte die Tiere und führte sie zu den Buschwiesen. Abends konnte man dann die gesättigten Tiere und im Idealfall zufriedenen Ziegen wieder abholen. Es ist eine fast vergessene Episode der Stadtgeschichte gewesen, an die Wolfgang Dahms mit der Skulptur erinnert. Sein Hang zum Historischen war ihm auch gestern anzusehen: Als Hauptmann von Köpenick verlas er in Knittelversen den Zweck des Ziegenbocks, den die Teltower sogleich in ihr Herz schlossen und sogar auf ihm ritten.
Mit dem nun sanierten Kirchplatz ist indes der eigentliche Stadtmittelpunkt fertig gestellt worden. Seit dem vergangenen Jahr sind hier gepflasterte Wege, befestigte Pfade und Grünflächen angelegt worden. Zudem haben die Planer auf der östlichen Seite den Einwohnern und Besuchern die Teltower Geschichte zu Füßen gelegt: Auf einem Pflaster-Feld liegen zwischen den Betonsteinen auch Eisenplatten, in die besonders prägende Daten eingestanzt wurden: Die Gründung im Jahre 1265, die großen Brände 1515 und 1573 sowie der Kirchenbrand 1801 und schließlich auch die Sanierung der Kirche zwischen 2006 und 2008. Sogar die lateinische Urkunde, in der Markgraf Otto den Teltowern das Stadtrecht verleiht, findet sich im originalen Wortlaut wieder.
Gut 238 000 Euro hatte die Kirchplatz-Sanierung gekostet, ein Großteil davon kam aus Fördermitteln für den Städtebau, so Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD). „Wir haben damit weiter in das Herz unserer Stadt investiert“, sagte er. Von Jahr zu Jahr werde die Alstadt schöner und entwickele sich zu einer lebendigen Mitte. Harald Sommer, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Teltow-Zehlendorf sah sogar eine „Erweckung“ des Teltower Ortskerns, die am „weißen Sonntag“, eine Woche nach Ostern, besonders passend sei. „Nach dem Schwelbrand zeichnet sich heute ab, dass unsere Kirche noch strahlender wird“, sagte er im Hinblick auf die Sanierung des Innenraumes und der Orgel, mit denen man sonst noch gewartet hätte.
Ende November vergangenen Jahres war durch einen technischen Defekt ein Schwelbrand in der Kirche ausgebrochen. Seitdem wird der Innenraum wieder hergerichtet: Die Orgelpfeifen wurden gereinigt, Ornamente an der Decke werden zurzeit wieder hergestellt und sogar 100 Jahre alte Schnitzereien des Künstlers August Mattausch an Empore, Kanzel und Gestühl kommen im Zuge umfangreicher Restaurations-Arbeiten wieder zum Vorschein. Die Kosten von über 300 000 Euro werden zur einen Hälfte von der Versicherung, zur anderen von der Kirchengemeinde gezahlt. Im August soll die Andreaskirche in altem Glanze erstrahlen. Der schwarze Ziegenbock beobachtet das alles von seinem Platz aus. Wenn er könnte, würde er vielleicht sogar lächeln.
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