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Nico Woitkowiak ist gelernter KfZ-Mechatroniker. Auch in seiner Branche wird derzeit händeringend nach jungen Menschen gesucht, die eine Ausbildung anfangen wollen.

© Foto: Ottmar Winter

Rund 1200 Lehrstellen unbesetzt : Azubis immer noch Mangelware in Potsdam

Junge Menschen in der Region entscheiden sich immer seltener für eine Ausbildung. Vor allen Dingen im Handwerk mangelt es an Nachwuchs.

Nico Busse hat sich, wie viele junge Menschen, nach dem Abitur wie selbstverständlich für ein Studium eingeschrieben. Die Wahl fiel auf Informatik, doch wirklich Freude bereitet hat ihm das Fach nicht. Also hat er sich umentschieden und eine Ausbildung zum Automobilkaufmann begonnen. Damit ist der 21-Jährige bis heute glücklich.

Ausbildende Betriebe in Potsdam und Umgebung würden sich mehr junge Menschen wie Busse wünschen: Denn nach wie vor fällt es Betrieben hier schwer, an Nachwuchs zu kommen. Von Oktober 2021 bis September 2022 kamen laut Agentur für Arbeit Potsdam auf 3994 gemeldete Ausbildungsstellen bloß 2774 Bewerber - 1220 ausgeschriebene Stellen blieben damit unbesetzt.

Damit setzt sich ein Trend aus den letzten Jahren fort: 2019/20 waren es 3088 Bewerber. Die Zahl der auszubildenden Betriebe hat sich in derselben Zeit erhöht, von 3697 auf 3994. Die Arbeitsagentur Potsdam ist neben der Landeshauptstadt unter anderem auch für die Landkreise Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming zuständig.

Lieber Verkäufer als Informatiker: Der 21-jährige Nico Busse ist glücklich darüber, sich gegen ein Studium und für eine Ausbildung entschieden zu haben.
Lieber Verkäufer als Informatiker: Der 21-jährige Nico Busse ist glücklich darüber, sich gegen ein Studium und für eine Ausbildung entschieden zu haben.

© Foto: Ottmar Winter

Nach wie vor hat vor allem das Handwerk Mühe, Nachwuchs zu finden: Fast 1000 Lehrstellen blieben hier unbesetzt, sagt Steffi Amelung, Abteilungsleiterin Berufsbildung bei der Handwerkskammer Potsdam (HWK). Betroffen ist vor allem das Nahrungsmittelgewerbe: Die Azubi-Zahlen bei Bäckern, Konditoren oder Fleischern hätten sich im Vergleich zum Vorjahr halbiert. Besser sieht die Lage bei der Industrie- und Handelskammer aus: „Unsere Ausbildungszahlen sind im Vergleich zum Vorjahr stabil“, sagt Andreas Körner-Steffens, Geschäftsführer Bildung der IHK Potsdam.

Studium beliebter als Ausbildung

Körner-Steffens glaubt, viele junge Menschen würden ein Studium der Ausbildung vorziehen. „Es muss gelingen, dass mehr junge Leute die Ausbildung nicht als zweite, sondern als erste Wahl begreifen“, sagt er. Auch Steffi Amelung ist sich sicher, dass es vor allen Dingen die gestiegene Neigung junger Menschen zum Studieren ist, die den Azubi-Mangel erklärt. Sandra Stahl, Geschäftsführerin Operativ der Agentur für Arbeit Potsdam sieht das genau so. Die geringe Vergütung in einigen Ausbildungen spiele nach Ansicht der drei keine entscheidende Rolle.

Olaf Jahr, Geschäftsführer der Auto-Service-Lichtblau GmbH, hat keine Probleme damit, seine Lehrstellen zu besetzen: Zwölf junge Menschen werden zur Zeit in seinen zwei Autohäusern ausgebildet. Einer von ihnen ist Ex-Informatik-Student Nico Busse. Auch Jahr denkt: „Azubis mit Geld anlocken funktioniert nicht. Man muss andere Anreize setzen.“ Ihm wäre vor allen Dingen ein besserer Kontakt zu den Schulen wichtig: „Da müssen wir die jungen Leute ja abholen“, sagt er. Sinnvoll fände er, wenn es in weiterbildenden Schulen ein zweites Berufspraktikum geben würde.

„Ich habe auch durch ein Schülerpraktikum hierhin gefunden“, sagt KfZ-Mechatroniker Nico Woitkowiak. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte: Im August 2020 kürte ihn die HWK Potsdam zum Azubi des Monats, inzwischen ist er Geselle im Potsdamer Autohaus von Jahr.

Geringer Lohn spielt laut ver.di auch eine Rolle

„Sicherlich, die Studienneigung hat zugenommen - aber die geringe Bezahlung spielt in manchen Branchen selbstverständlich eine entscheidende Rolle“, sagt Andreas Splanemann, ver.di-Sprecher für Berlin-Brandenburg. Gerade im Einzelhandel oder Gastronomie würden Azubis nach wie vor nur sehr gering entlohnt. „Problematisch sind alle Bereiche, in denen kein Tarifvertrag gilt. Das sind, wie in Brandenburg häufig, kleine Handwerks- oder Dienstleistungsbetriebe.“

Es gehe allerdings nicht ums Geld allein: „Heute schauen Schulabgänger und Schulabgängerinnen nicht nur auf die Bezahlung auch auf die Arbeitsbedingungen oder die Karriere- und Entwicklungschancen“, sagt er. In ganz Brandenburg werde es zum Beispiel schwieriger, Nachwuchs für Pflegeberufen zu finden. „Solche Jobs könnten durch eine finanzielle Aufwertung aber auch durch Verbesserungen der Arbeitsbedingungen attraktiver gemacht werden“, so Splanemann.

Wer noch auf der Suche nach einer Ausbildung ist, hat noch bis Ende des Jahres die Chance eine zu beginnen: „Die Nachvermittlungsaktion läuft auf Hochtouren“, sagt Sandra Stahl von der Agentur für Arbeit. Gesucht werden vor allen Dingen Kaufleute im Einzelhandel und im Büromanagement, Verkäufer, Fachkräfte für Lagerlogistik und KfZ-Mechatroniker.

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