
© Foto: Spectrum Concerts
Spectrum Concerts Berlin: Atemberaubende Intensität
Die Spectrum Concerts begeistern mit Werken von George Enescu und Robert Schumann im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie
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Heiß geht es im Saison-Abschlusskonzert der Spectrum Concerts Berlin her. Auch im 35. Jahr ihres Bestehens hat die Reihe nichts von ihrer Frische und aufregenden Entdeckerfreude eingebüßt. Wieder einmal ereignet sich eine Sternstunde der Kammermusik. Eine wilde Mischung französischer und slawischer Stilelemente bietet das so gut wie nie zu hörende 1. Klavierquartett von George Enescu.
Wie sein bei Spectrum schon häufiger gespieltes Oktett zeigt das Werk von 1909 den Komponisten – hierzulande eher als charasmatischer Geigenvirtuose und unter anderem Lehrer Yehudi Menuhins bekannt – auf dem Weg zu einer verschiedenste Einflüsse frei und individuell verschmelzenden Musiksprache. Hart rhythmisierte Unisono-Motive – an Strawinsky oder Prokofjew, aber auch an die eigene rumänische Herkunft gemahnend – prägen die Hauptthemen der Ecksätze, werden immer wieder von schwärmerischen Partien von quasi „impressionistischer“ Klangsinnlichkeit abgelöst. Es grenzt an ein Wunder, wie die Spectrum-Musiker*innen durch diesen unablässig rauschenden, wühlenden, kontrapunktisch verdichteten und verwickelten Klangstrom immer wieder Schneisen der Transparenz schlagen, hitzige Spannung ebenso erzeugen wie klar strukturierende Ruhepunkte schaffen.
Kammermusik auf allerhöchstem Niveau
In dieser atemberaubenden Intensität, Präzision und Tonschönheit ist das Werk mit Sicherheit noch niemals erklungen. Und Virtuosität bedeutet hier keineswegs, sich in den Vordergrund zu spielen: bewundernswert das ebenso luzide, im Diskant kristalline und doch immer wieder kraftvolle Spiel der Pianistin Diana Ketler, die winzigen und doch so bedeutsamen Piano-Nuancen des Geigers Boris Brovtsyn, die sich im langsamen Satz in Nachtigallen-Triller auflösen und mit dem großen, warmen Bratschenton Gareth Lubbes zum schönsten Liebesgesang vereinigen, gestützt von Alexander Chaushians mal voll aussingendem, mal diskret zurückhaltendem Cello.
Womöglich ist die Klasse, mit der hier musiziert wird, an bekannteren Werken noch eindeutiger abzulesen. Brovtsyn und Ketler treiben Robert Schumanns Violinsonate a-Moll „mit leidenschaftlichem Ausdruck“ alle Betulichkeit und Schwerfälligkeit aus, die dem Spätwerk des Komponisten oft vorgeworfen wird. Schon die risikofreudige Tempowahl sorgt dafür, und gerade das oft zopfig erklingende Andante mit seinen Brüchen und thematischen Umformungen wird hier hochinteressant.
Schumanns himmelstürmendes Klavierquartett, von Starpianisten zuweilen als verkapptes Klavierkonzert vereinnahmt, lebt hier ganz aus dem kammermusikalischen Geben und Nehmen, und doch ist ihm solche Rationalität im spannungsgeladenen, ja aufwühlenden Gestus in keinem Ton anzumerken. Doch ist hier Emotion nicht mit romantisierender Gefühligkeit zu verwechseln: Das melodienselige Andante erklingt geradzu keusch und fesselt mit einer Pianissimo-Reprise des Cellos, die den immer wieder eingestreuten nachdenklichen Choral-Zitaten korrespondiert.
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