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Sport: 140 Millionen enttäuscht

Nigerias Fehlstart beim Afrika-Cup setzt den Trainer Berti Vogts noch stärker unter Druck

Um im schmucken neuen Stadion von Sekondi von den Umkleidekabinen auf die Tribüne zu gelangen, muss man einen Aufzug nehmen. Diesen steuerte Berti Vogts nach der Partie seines nigerianischen Nationalteams gegen die Elfenbeinküste gerade an, als das Licht ausging. Stromausfall. Vogts musste vor verschlossenen Türen warten – fast 15 Minuten, bis die Energieversorgung im Stadion wiederhergestellt war. Es war nicht das einzige Mal, dass es an diesem Abend dunkel um den deutschen Trainer der nigerianischen Nationalelf wurde. Das von vielen Experten als Schlüsselspiel eingestufte Duell zwischen Vogts’ Team und der Elfenbeinküste hatte Nigeria letztlich verdient 0:1 verloren. Salomon Kalou vom FC Chelsea hatte in der 66. Minute nach einem tollen Dribbling durch die halbe nigerianische Abwehr das entscheidende Tor erzielt. „Wir haben insgesamt zu wenig Mut im Spiel nach vorn gezeigt“, sagte Vogts, der zudem den Ausfall seines Schlüsselspielers Nwankwo Kanu zu Beginn der zweiten Halbzeit mitverantwortlich für die Niederlage machte: „Da haben wir in der Zentrale die Ordnung verloren.“

Tatsächlich waren es Kleinigkeiten, die das Duell der beiden Titelanwärter entschieden. „In der zweiten Halbzeit haben wir in der Defensive zweimal geschlafen“, sagte Steffen Freund verärgert. Vogts’ Kotrainer, der vom Deutschen Fußball-Bund für den Job beim Afrika-Cup freigestellt wurde, haderte zudem mit einer Szene in der ersten Hälfte: „Da hatten wir beim Lattenschuss von Taiwo selbst die Chance, in Führung zu gehen. Wer weiß, wie es dann gelaufen wäre.“

Das oft beklagte Organisationschaos in Ghana, mit dem alle Teilnehmer mehr oder weniger zu kämpfen haben, mochte Freund allerdings nicht für die Niederlage verantwortlich machen: „Nein, größere Katastrophen sind bei uns ausgeblieben. Und mit kleineren Schwierigkeiten müssen ja auch unsere Gegner fertig werden.“ In der 300 000 Einwohner großen Küstenstadt Sekondi, 220 Kilometer westlich von Ghanas Hauptstadt Accra, mussten die Nigerianer an den ersten Tagen mit ihrem Bus durch den Ort irren, um einen Trainingsplatz zu finden. Das avisierte Gelände hatte Gruppengegner Benin okkupiert, beim Ausweichplatz war niemand vor Ort, der die Tore hätte öffnen können. Erst beim dritten Versuch hatte Vogts Erfolg: Das örtliche Militär-Trainingsgelände konnte genutzt werden.

Dennoch steht die deutsch-nigerianische Zweckgemeinschaft nach der Niederlage nun schon gehörig unter Druck. Die einheimische Presse schlug kritische Töne in Richtung des deutschen Trainers an: „Vogts’ Plan, aus Nigeria die ‚Deutschen Afrikas’ zu machen, ging erst einmal schief. Die Elfenbeinküste war reifer als Nigeria“, schrieb der „Guardian“. „The Independent“ klagte: „140 Millionen Nigerianer waren enttäuscht von Berti Vogts und seinem Team.“

Der Deutsche sah sich bereits vor dem Turnier Kritik ausgesetzt. Mit kolportierten Äußerungen, die er selbst bestreitet, bezüglich der mangelhaften Organisation rund um das Nationalteam verärgerte er die Presse und die Fußballfunktionäre des Landes. Der nigerianische Fußballverband verschärfte daraufhin die Vorgaben an Vogts und das Team: „Wir wollen den Titel.“ Sollte dies nicht gelingen, muss Vogts wohl gehen.

Der frühere Bundestrainer erging sich nach dem ersten Rückschlag gegen die Elfenbeinküste in Durchhalteparolen. Es sei eine „schmerzhafte Niederlage“ gewesen, „aber noch ist nichts verloren. Vor vier Jahren gab es im ersten Spiel auch eine Niederlage, Nigeria überstand trotzdem die Gruppenphase.“

Damit das auch diesmal wieder gelingt, müsste aber im nächsten Gruppenspiel am Freitag gegen Mali, das zum Auftakt Außenseiter Benin mit 1:0 bezwang, unbedingt ein Sieg her. Vogts geht die Aufgabe gegen das Team um Starstürmer Frederik Kanouté vom FC Liverpool mit entsprechend viel Respekt an. „Mali hat ein starkes Team, das wir keineswegs unterschätzen dürfen“, sagte der 61-Jährige. „Mit ein bisschen mehr Mut in der Offensive sollten wir es aber schaffen können. In der Defensive waren wir schon ganz gut.“ Wenn man von der 66. Minute einmal absieht.

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