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Adolf, genannt „Adi“ Katzenmeier, hier mit Joachim Löw.

© picture-alliance/ dpa

Interview mit dem früheren Nationalmannschaft-Masseur: Adolf Katzenmeier "Maradona hat mir wirklich leidgetan"

Adolf Katzenmeier war jahrzehntelang Masseur der deutschen Nationalmannschaft und bei zahlreichen Weltmeisterschaften dabei. In diesem Jahr fiebert er vor dem Fernseher mit.

TAGESSPIEGEL: Herr Katzenmeier, hoffentlich stören wir nicht. Brasilien spielt gerade …

ADOLF KATZENMEIER: Das geht schon. Ich schaue mir nicht alle Spiele an. So viel Zeit habe ich nicht. Ich bin gerade erst aus meiner Praxis nach Hause gekommen.

TAGESSPIEGEL: Seit 1974 waren Sie bei jeder WM als Masseur der Nationalmannschaft im Einsatz. Wie ist es, nun vor dem Fernseher zu sitzen?

ADOLF KATZENMEIER: Beim ersten Spiel habe ich schon dumm geguckt. Da war mir ein bisschen flau. Es hat gekribbelt, das können Sie ruhig so schreiben. Und auch die Füße haben gezuckt, weil du meinst, du müsstest aufs Feld laufen. Aber jetzt ist es vorbei.

TAGESSPIEGEL: Waren Sie nervös?

ADOLF KATZENMEIER: Sagen wir mal so: Ich leb’ das mit – aber nervös bin ich nicht. Beim Achtelfinale hatte ich ein bisschen Angst, dass die Engländer ihre Härte auspacken. Aber da ist ja gar nichts passiert. Und bei uns hat es vollkommen super geklappt. Das war ein Spitzenspiel, da gibt’s gar nichts. Ich habe die Füße hochgelegt und mir in aller Ruhe das Spiel angesehen.

TAGESSPIEGEL: Das konnte man ja auch genießen.

ADOLF KATZENMEIER: Stimmt. Das ist was anderes, als wenn man im Einsatz ist. Wenn du jeden Augenblick damit rechnen musst, dass du gebraucht wirst. Sepp Herberger hat immer gesagt: Immer auf Ballhöhe sein.

TAGESSPIEGEL: Haben Sie eigentlich Ihren Medizinkoffer neben dem Sofa stehen?

ADOLF KATZENMEIER: Müsste ich machen, oder? Nein, nein, so schlimm ist es nicht.

TAGESSPIEGEL: Sind Sie traurig, nicht mehr bei der Mannschaft zu sein?

ADOLF KATZENMEIER: Ich nehme es so, wie es kommt. Mit 75 kann man ruhig sagen: Jetzt lass mal die Jungen ran. Außerdem war ich mit Berti Vogts schon einmal in Südafrika, ich muss da nicht noch ein zweites Mal hin.

TAGESSPIEGEL: Hat sich die Mannschaft mal gemeldet?

ADOLF KATZENMEIER: Bis jetzt noch nicht. Aber freue ich mich, dass die Mannschaft so einen guten Start erwischt hat. Das war überragend. Sie wissen ja, dass ich mit dem Poldi sehr gut befreundet bin. Und jetzt war er die bahnbrechende Person, weil er gegen Australien dieses Bombentor geschossen hat. Das hat mich am meisten gefreut. Wenn man vier Jahre im Bus neben so einem Jungen sitzt, eine enge Freundschaft zu ihm hat, wenn man weiß, wie er ist … Das können Sie doch verstehen?

TAGESSPIEGEL: Natürlich. Vermissen Sie Podolskis Späße?

ADOLF KATZENMEIER: Na sicher. Aber der Poldi wird auch meine Späße vermissen. Sie können ihn ja mal anrufen. Dann wird er Ihnen bestimmt sagen: Mir fehlt der Adi schon manchmal ein bisschen.

TAGESSPIEGEL: Woher kommt Ihre Freundschaft?

ADOLF KATZENMEIER: Das hat 2005 beim Confed-Cup angefangen. Da hat Jürgen Klinsmann zu mir gesagt: „Adi, könntest du deinen Platz vorne im Bus für Oliver Bierhoff freigeben?“ Das habe ich natürlich gemacht. Neben Poldi war noch ein Platz frei. Ich bin auf ihn zu und habe gesagt: „Hochwürden, ist es gestattet, an Ihrer grünen Seite Platz zu nehmen?“ Er ist aufgestanden, hat geantwortet: „Wenn Sie so fragen, Eminenz, bitte, nehmen Sie Platz.“ Wir haben furchtbar gelacht, und der ganze Bus hat geguckt, was da los war.

TAGESSPIEGEL: Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft …

ADOLF KATZENMEIER: Ja, bei uns hat von Anfang an die Richtung gestimmt. Gleich im ersten Spiel hat der Poldi dann auch noch ein Tor geschossen. Nach dem Spiel kommt er in den Bus, fällt mir um den Hals und sagt: „Ab jetzt bleibst du hier sitzen.“ Das war praktisch der Durchbruch für mich.

TAGESSPIEGEL: Wissen Sie noch, wie Sie die WM 1970 erlebt haben, die letzte, bei der Sie nicht dabei waren?

ADOLF KATZENMEIER: Ich war ja dabei – am Fernseher. Vor ein paar Wochen, kurz vor der WM, wurde das Halbfinale gegen Italien noch mal gezeigt. Das war ja ein tolles Spiel! Ich konnte mich sogar noch entsinnen, wie der Franz Beckenbauer da unterlaufen wurde und auf die Schulter gefallen ist. Erich Deuser, der Chefmasseur, hat damals einen Verband angelegt, der heute noch Gültigkeit hat.

TAGESSPIEGEL: Sie haben alle Bundestrainer miterlebt. Was zeichnet Joachim Löw aus?

ADOLF KATZENMEIER: Er ist ein grundehrlicher Mensch, freundlich und gewissenhaft. Das hat er auch bei Poldi bewiesen. Er hat gesagt: Junge, ich mach dich nicht fertig. Ich bau’ dich auf. Und der Poldi lebt jetzt wieder auf. Wenn die das in Köln sehen – mein Gott! Genauso bei Arne Friedrich. Jeder hat gesagt: Warum nimmt der Löw den Friedrich mit? Und? Der ist für mich der beste Spieler im Moment. Außerdem ist er ein Bombentyp. Oh!

TAGESSPIEGEL: Ja?

ADOLF KATZENMEIER: Jetzt fällt ein Tor für Brasilien. Na gut. Jogi Löw hat vieles von Jürgen Klinsmann übernommen. Der Jürgen war ja ein unheimlicher Motivator, ein Künstler, würde ich fast sagen. Der hat so feurig gesprochen, dass er die Mannschaft richtig aufgeputscht hat. Die Spieler haben den Mund aufgerissen und staunend zugehört. Innerlich haben die schon gekocht. Der Jogi ist am Anfang eher ruhig gewesen. Aber beide können eine Mannschaft führen, weil sie die pädagogischen Voraussetzungen haben.

TAGESSPIEGEL: Sollte Löw Bundestrainer bleiben?

ADOLF KATZENMEIER: Der Jogi hätte es verdient, die Erfolge sind ja da . Wenn die Mannschaft zusammenbleibt, ist sie in zwei Jahren spitze. Und bei der nächsten WM sind die Jungs dann richtig ausgereift.

TAGESSPIEGEL: Jetzt geht es erst einmal gegen Argentinien. Woran denken Sie bei diesem Duell?

ADOLF KATZENMEIER: An Berlin vor vier Jahren. Die Schlägerei, die musste doch nicht sein. Ich habe mich damals furchtbar darüber geärgert.

TAGESSPIEGEL: 1986 und 1990 standen sich Argentinien und Deutschland im Finale gegenüber.

ADOLF KATZENMEIER: Ja, 1990 in Italien, da haben wir sie gepackt. Da habe ich Maradona zum ersten Mal weinen sehen. Der hat mir wirklich leidgetan. Das war nicht gestellt, das waren echte Tränen. Maradona ist als Fußballer wirklich eine Persönlichkeit gewesen, da gibt es nicht so viele. Messi ist ihm vom Typ her ähnlich. Der gefällt mir, der Junge. Das ist ein exzellenter Fußballer, ein Jahrhunderttalent. Der ist auch nicht faul, gar nicht.

TAGESSPIEGEL: Am Samstag könnten die Deutschen Maradona wieder zum Weinen bringen.

ADOLF KATZENMEIER: Ja, aber das wird schwer.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns.

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