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Sport: Ajax macht erwachsen

Das junge Amsterdamer Team spielte Valencia beim 1:1 in der Champions League stellenweise schwindlig

Amsterdam. Es lief bereits die Nachspielzeit, als die Fans von Ajax Amsterdam ihre Wut in Form von Pfiffen äußerten. Sie galten Torhüter Bogdan Lobont, der sich für ihren Geschmack viel zu viel Zeit ließ, den Ball wieder ins Spiel zu bringen. Das Seltsame ist, dass Lobont für Ajax spielt und dass seine Mannschaft in der Champions League durch das 1:1 gegen den FC Valencia den zweiten Platz in der Gruppe B behauptet hat. Am Mittwoch beim AS Rom reicht dem Team bereits ein Unentschieden, um ins Viertelfinale einzuziehen. „Das ist fantastisch”, sagte Trainer Koeman. „Aber auch sehr gefährlich.“ Alle vier Klubs besitzen noch eine Chance aufs Weiterkommen. „Jetzt stehst du vorne“, sagte Kapitän Cristian Chivu, „aber am Mittwoch kannst du genausogut Letzter sein.”

Es waren weniger solche Überlegungen theoretischer Art, die die Fans kurz vor Schluss noch einmal dazu veranlasst haben, ihr Team nach vorne zu treiben; es waren vor allem praktische Erwägungen. Ajax musste gewinnen – weil Ajax gewinnen konnte. „In der letzten halben Stunde haben wir Valencia so eingeheizt, wie das nicht vielen Mannschaften gelingt“, sagte Koeman. „Wir haben gezeigt, dass wir nicht nur eine junge Mannschaft haben, sondern auch eine gute.“ Für einen Klub, der fünf Jahre lang in Europa keine Rolle mehr gespielt hat, ist das immer noch eine überraschende Erkenntnis.

Das Spiel gegen Valencia erinnerte an das Szenario eines amerikanischen Spielfilms. Die kleinen Jungs spielen friedlich auf dem Bolzplatz, als plötzlich die großen bösen Kerle aus der Nachbarschaft auftauchen. Weil sie ausnahmsweise gut gelaunt sind, bieten sie den Kleinen ein Match an, anstatt sie gleich zu verprügeln. Die Großen heißen Mauricio Pellegrino, Ruben Baraja und Kily Gonzalez und haben mit Valencia in den vergangenen drei Jahren zweimal im Finale der Champions League gestanden. In der ersten Halbzeit haben sie die kleinen Ajax-Spieler noch ein bisschen tricksen lassen, aber wenn es ihnen zu bunt wurde, sind sie humorlos mit ihren langen Beinen dazwischengegangen und haben sich den Ball geholt. Das 1:0 erzielte Gonzalez auf ähnlich prosaische Weise – per Elfmeter.

In amerikanischen Filmen nimmt die Geschichte immer noch eine Wende zum Guten. So war es auch in der Amsterdam-Arena. Ronald Koeman hat seinen Jungs in der Halbzeit gesagt, dass sie mehr Vertrauen in ihre fußballerischen Fähigkeiten haben sollten, und fortan machten sie mit ihrem Gegner nahezu, was sie wollten. Und der finnische Vorstopper Petri Pasanen traf zum Ausgleich. Es ist atemberaubend, in welchem Tempo sich Ajax, das jüngste Team in der Zwischenrunde, zurzeit entwickelt. Man kann der Mannschaft quasi beim Wachsen zuschauen. Vor drei Monaten, im Hinspiel gegen Valencia, erreichte Ajax ebenfalls ein 1:1, aber trotz des identischen Ergebnisses können zwei Fußballspiele kaum unterschiedlicher sein. „In Valencia haben wir von 90 Minuten 95 verteidigt“, sagte Chivu, „sogar in der Kabine haben wir noch verteidigt.“ Damals war die Mannschaft noch nicht so weit, dass sie Teams wie Valencia mit spielerischen Mitteln hätte beikommen können. Jetzt ist sie es. Am Dienstag, in der zweiten Halbzeit, schien es, als habe Ajax zu sich selbst zurückgefunden: zu jenem angriffslustigen, aggressiven, wagemutigen Stil, der immer das Markenzeichen dieses Klubs und seiner Mannschaften war. „Wir haben gezeigt, dass wir viel gelernt haben“, sagte Ronald Koeman. Die Fortschritte sind schon jetzt größer, als es die Lehrpläne für dieses Schuljahr vorgesehen hatten.

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