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Sport: „Alle warten, dass wir Probleme kriegen“

Bremens Trainer Schaaf über die Meisterschaft, eine sensationelle Rückrunde und die Kaufkraft der Konkurrenz

Herr Schaaf, wie hört sich das an: Meistertrainer Thomas Schaaf?

Vergessen Sie bitte nicht, dass noch 17 Spiele vor uns liegen. Aber wenn es so kommt, hätte ich nichts dagegen.

Klingt es nicht ein bisschen seltsam?

Man kann sich daran gewöhnen. Für mich ist so ein Ausdruck ohnehin nicht wichtig. Wichtiger ist, was dahinter steckt: die Anerkennung für eine Leistung, die wir dann über eine ganze Saison erbracht haben und mit der niemand gerechnet hat.

Warum wird Werder Deutscher Meister?

Weil wir eine sehr gute Mannschaft haben und in der Hinrunde einen sehr guten, konzentrierten und engagierten Fußball gespielt haben. Wir haben viele positive Rückmeldungen bekommen, von Fans und Experten – weil sie gesehen haben, dass bei uns eine Mannschaft entstanden ist, die ineinander spielt, sich gegenseitig unterstützt. Die Mannschaft kann sich an dem begeistern, was sie tagtäglich tut. Diese Einstellung hat uns ganz weit nach vorne gebracht.

Aber Werder hat auch in den letzten beiden Jahren eine sehr gute Hinrunde gespielt und ist dann nach der Winterpause abgestürzt.

Ja, und jetzt warten alle darauf, dass wir wieder Probleme bekommen.

Wieso glauben Sie das?

Weil es die bessere Schlagzeile bringt. Wenn wir weiter unseren Weg gehen – schön und gut. Die bessere Schlagzeile ist: Werder strauchelt. Aber wir haben aus dem vergangenen Jahr gelernt. Wir hatten Probleme mit verletzten Spielern. Das hat uns wehgetan. Und wir haben uns durch einige Sperren selbst geschädigt. Diesmal sind wir wesentlich besser durch die Vorbereitung gekommen. Und ich habe das Gefühl, dass wir vom Willen her einiges mehr mitbringen.

Sperren und Verletzungen – gibt es nichts, das Sie selbst beeinflussen können?

Natürlich kann man viel in die ganze Geschichte hineininterpretieren. Aber man muss sich schon an die Fakten halten. Es ist nun mal so, dass im vorigen Jahr in der Vorbereitung Krstajic, Micoud, Verlaat und Magnin verletzt gefehlt haben. In den ersten Spielen haben wir das noch kaschieren können, aber als es dann an die Substanz ging, ist uns das nicht mehr gelungen. Das ist der Punkt, den wir analysiert haben.

Gibt es etwas, das Sie in diesem Jahr anders gemacht haben?

Etwas Entscheidendes: Im Trainingslager in der Türkei hatten wir ein anderes Hotel.

Am liebsten hätten Sie die Diskussion über die verkorkste Rückrunde wohl unterbunden?

Nein. Oder: jein. Wir sind im vergangenen Jahr nicht gut gestartet, das stimmt. Aber wir können jetzt noch tausendmal darüber reden. Es ist vorbei. Nur wer daraus schließt, dass es wieder so läuft, der liegt falsch. Vor drei Jahren haben wir eine sensationelle Rückrunde gespielt – und da sind wir auch vorher in der Türkei gewesen.

Haben Sie die Befürchtung, das stete Gerede um Ihre angebliche Rückrunden-Schwäche könnte zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden?

Wieso? Wir reden ja gar nicht darüber. Es ist nicht so, dass wir immer sagen: Mensch, jetzt kommt wieder die Rückrunde, oh Gott, oh Gott! Wir gehen das diesmal alles ganz positiv an.

Ihr Manager Klaus Allofs hat einmal gesagt, Werder sei ein Verein, der nicht genau weiß, ob er noch zu den Kleinen gehört oder schon zu den Großen. Glauben Sie, das könnte sich in dieser Rückrunde endgültig entscheiden?

Wenn man den Erfolg hat wie wir gerade, muss man sich überlegen, wie es weiter gehen soll, wie wir die Mannschaft so stark halten oder noch stärker machen können.

Ob Werder zu den Kleinen oder zu den Großen gehört, entscheidet sich also daran, ob Miroslav Klose im Sommer nach Bremen kommt.

Es geht nicht um Miroslav Klose; es geht um prinzipielle Dinge. Wir müssen uns wirtschaftlich nicht mit Bayern München messen. Das werden wir nicht auf die Reihe kriegen. Wir müssen versuchen, in unserem Rahmen optimal zu arbeiten. Aber auch versuchen, diesen Rahmen einmal zu vergrößern. Es wäre schön, wenn ich meine Ziele mit einem einfachen statt einem dreifachen Salto erreichen könnte.

Sie werden zur neuen Saison Ailton und Mladen Krstajic an Schalke verlieren. Was würde es bedeuten, wenn auch noch Ivan Klasnic zum HSV wechselt?

Dann müssten wir uns auf einer Position noch mehr Gedanken machen.

Wir meinen das jetzt grundsätzlich. Früher hat Werder die Spieler an die großen Bayern abgeben müssen. Jetzt gehen sie sogar zu Vereinen, die in der Tabelle schlechter stehen.

Wenn es so käme, müsste man sich über die Spieler Gedanken machen.

Sorgen machen Sie sich deswegen nicht?

Sicherlich mache ich mir Sorgen, aber nicht nur wegen unserer Situation, sondern ganz generell. Fast jeder Verein in der Bundesliga hat seit der Kirch-Krise finanzielle Schwierigkeiten, und seitdem arbeiten wir daran, dass alles wieder auf ein normales Niveau zurückgeschraubt wird. Schalke 04 ist da jetzt ausgebrochen. Der sportliche Erfolg ist eindeutig auf unserer Seite. Aber die Spieler Ailton und Krstajic haben ein so gutes finanzielles Angebot bekommen, dass sie im Prinzip nicht Nein sagen konnten. Das ist ein Punkt, an dem es schwierig wird für uns.

Albert Camus hat behauptet, man müsse davon ausgehen, dass Sisyphos ein glücklicher Mensch gewesen sei. Ist auch Thomas Schaaf ein glücklicher Mensch – obwohl seine Aufbauarbeit immer wieder kaputt gemacht wird?

Es hat mir auf jeden Fall immer Spaß gemacht, wieder eine neue Mannschaft aufzubauen. Die andere Seite mal kennen zu lernen, wäre aber auch nicht schlecht.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns.

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