Sport: Am Anfang war Tschechien
Mit der EM-Niederlage begann eine neue Ära
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Berlin - Manchmal kann ein Ende auch ein Anfang sein, aber das weiß man oft erst später. Vermutlich hat Oliver Bierhoff nichts geahnt, als er im Juni 2004 auf der Tribüne des Estadio José Alvalade in Lissabon saß. Bierhoff war zu diesem Zeitpunkt noch Ex-Nationalspieler, erst anderthalb Monate später wurde er zum Manager der Fußball-Nationalmannschaft bestellt, und das Spiel, dem er in Lissabon als einfacher Zuschauer unter den deutschen Fans beiwohnte, hatte für Bierhoffs beruflichen Werdegang entscheidende Bedeutung. Die Nationalelf kämpfte gegen Tschechien um den Einzug ins Viertelfinale, sie verlor 1:2, und an jenem Abend im Juni endete die Ära Rudi Völler.
Bierhoff, vor der Begegnung noch optimistisch, „dass wir das Spiel gewinnen“, spürte sogar von der Tribüne die Unsicherheit der Mannschaft. Die Deutschen schoben sich den Ball im Mittelfeld nervös hin und her, selbst die Führung durch Michael Ballack änderte daran nichts. Am Ende gewann eine punktuell verstärkte tschechische B-Mannschaft 2:1. Die Deutschen schieden aus, noch in der Nacht trat Völler zurück, und nach einer kuriosen Suche bekam Jürgen Klinsmann den Trainerjob beim Deutschen Fußball-Bund.
Ohne die Niederlage gegen Tschechien wäre jene Entwicklung nicht in Gang geraten, die am Samstag in Prag einen weiteren Höhepunkt erfahren soll. Mit einem Sieg gegen Tschechien können die Deutschen in der EM-Qualifikation ihren wichtigsten Konkurrenten auf Distanz halten. „Wir wollen zeigen, dass wir in unserer Gruppe einfach die stärkste Mannschaft sind“, sagt Bierhoff. Erst im direkten Vergleich zeigt sich das ganze Ausmaß der Veränderung. Vor zweieinhalb Jahren schlichen die Deutschen mit schlotternden Knien auf den Platz, obwohl die bereits für die nächste Runde qualifizierten Tschechen auf neun ihrer Stammspieler verzichteten. Die Deutschen mussten gewinnen, trotzdem bot Völler nur Kevin Kuranyi als Stürmer auf.
Torsten Frings, der in Lissabon schon zur Pause ausgewechselt wurde, sagt vor dem Spiel in Prag, „dass wir keine Angst haben müssen“. Eher glaubt er, dass diesmal die Tschechen den Deutschen mit „sehr großem Respekt“ begegnen werden. Die Nationalmannschaft will auch beim Auswärtsspiel ihren Stil durchziehen, offensiv, aktiv und aggressiv auftreten. „Die Spieler besitzen eine gewisse Sicherheit in ihrem Spiel“, sagt Bierhoff. „Wir wissen, was wir können.“
Das Bemerkenswerte ist: Allen Neuerungen zum Trotz, die Jürgen Klinsmann eingeleitet und sein Nachfolger Joachim Löw fortgeführt hat, ist der personelle Umbruch gar nicht so groß wie man vermutet. Sieben Spieler, die schon 2004 auf dem Feld standen, gehören auch in Prag zum Aufgebot – und alle werden wohl von Anfang an spielen: Philipp Lahm, Torsten Frings, Bernd Schneider, Michael Ballack, Lukas Podolski, Bastian Schweinsteiger und Kevin Kuranyi. Oliver Bierhoff, der in Lissabon auf der Tribüne saß, sagt: „Ich hätte auch nicht gedacht, dass man so viel aus der Mannschaft herausholen kann.“
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