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Sport: Am Tiefpunkt

Beim Hamburger SV klaffen Anspruch und Wirklichkeit wieder einmal weit auseinander

Das konnte selbst der feiernde Mainzer beim Schlusspfiff nicht mit ansehen. Als Daniel van Buyten, fast zwei Meter groß, als Führungsrungsfigur vorgesehen und neuerdings Kapitän des Hamburger SV, am Mittelkreis in die Knie sank, eilte Jürgen Klopp herbei. Der Trainer des FSV Mainz 05 legte den Arm um den enttäuschten Belgier und half ihm wieder auf die Beine. Kaum hatte sich van Buyten gesammelt, erblickte er im Spaßtempel Bruchwegstadion sogleich den Beleg für eine nicht funktionierende Mannschaft, der er vorsteht: Auch nach dem Abpfiff zerfällt dieses überschätzte und überbezahlte Ensemble in seine Einzelteile. Sergej Barbarez und Emile Mpenza? Waren nach dem peinlichen 1:2 in Mainz wortlos in die Kabine gehetzt. Martin Pieckenhagen, der Torwart? Stand noch wie erstarrt im Strafraum. Mehdi Mahdavikia? Tauschte feixend sein Trikot. Die Jungen, Björn Schlicke, Stephan Kling? Machten sich auf zur Gegentribüne zu den eigenen Fans und in sicherer Entfernung gleich wieder kehrt.

Drei Pflichtspiele haben beim HSV ausgereicht, und die Aufbruchsstimmung ist zum Krisenszenario mutiert. Raus aus dem UI-Cup, Letzter in der Liga. Schlimmer geht es nicht. „Es stimmt hier nicht“, stammelte van Buyten.

Der Trainer ist ein Teil dieser Missstimmung. Klaus Toppmöller, sichtbar angeschlagen, stellt fest: „Jetzt muss ich damit rechnen, dass es was auf die Löffel gibt.“ Sein Vertrauen in die Seinen ist angeschlagen. „Ich zeige mehr Herzblut als meine Truppe.“ Toppmöller ahnt, was kommen wird: „Als Erstes wird der Trainer verantwortlich gemacht.“ Jeder schiebt dem anderen die Schuld zu. „Wir spielen so wie wir trainieren“, erklärte van Buyten. Eine volle Breitseite gegen die Alltagsarbeit. „Das ist der Tiefpunkt, seit ich in Hamburg bin“, flüsterte Barbarez, um sodann die Mitspieler zu geißeln. „Es muss hier härter durchgegriffen werden. Wir haben keine Schweine in der Mannschaft. Und wenn du hier einem etwas sagst, ist er schnell eingeschnappt.“

Doch irgendwie passte es nicht, was die Profis da erzählten. Van Buyten gibt der Abwehr keinen Halt, Barbarez dem Spiel keine Impulse. Gerade bei ihm stehen erpokertes Gehalt und aktuelle Form in einem krassen Gegensatz. Barbarez verschluderte letztlich gar den Sieg. Sein an Arroganz grenzender, sträflich missratener Querpass auf Mpenza kurz vor der Pause geriet zur Schlüsselszene. „Wäre da das 0:2 gefallen, wären wir nicht mehr wiedergekommen“, gestand der Mainzer Fabian Gerber, „aber wir haben gespürt, wie verunsichert der HSV war.“

Sportchef Dietmar Beiersdorfer hatte Mühe, die Situation in Worte zu fassen. „Furcht erregend, Albtraum, Katastrophe.“ Eine Zustandsbeschreibung für die frühsaisonale Zerfallserscheinung. Einstellung, Taktik, Spielweise – „desolat“, rüffelte Beiersdorfer. Was zu tun ist? Die Millionen aus dem Verkauf von Tomas Ujfalusi in Razundara Tjikuzu, Sammy Kuffour oder Thomas Gravesen investieren? Beiersdorfer mochte darüber nicht sprechen. „Und wenn wir auf der Stelle drei Mann verkaufen, müssen wir in Mainz trotzdem noch gewinnen.“

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