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Yanni Regäsel hat Hertha BSC in Richtung Frankfurt verlassen.

© Imago

Hertha BSC und der Nachwuchs: Aus Berlin – für den Rest der Liga

Der Abgang von Yanni Regäsel zeigt erneut, dass Hertha BSC es nicht schafft, von der eigenen Nachwuchsarbeit zu profitieren. Ein Kommentar.

In den vergangenen Tagen war – vielleicht so deutlich wie noch nie – wieder einmal zu beobachten, zwischen welchen extremen Polen sich die Nachwuchsarbeit von Hertha BSC bewegt. Da gab es zunächst die erfreuliche Nachricht, dass der Berliner Fußball-Bundesligist den Vertrag mit John Anthony Brooks, dem hoch veranlagten und entsprechend heftig umworbenen Innenverteidiger, vorzeitig um drei Jahre verlängern konnte.

Gut möglich, dass der gebürtige Berliner Brooks einmal das Gesicht einer neuen, wieder erfolgreichen Hertha wird. Genauso ist es möglich, dass er in mittlerer Zukunft einen zweistelligen Millionenbetrag für die Vereinskasse erlösen wird. Gut für Hertha – so oder so.

Aber da gibt es eben auch noch Yanni Regäsel. Berliner wie Brooks, Ur-Herthaner wie Brooks, aber eben, anders als Brooks, seit Montagabend Ex-Herthaner. So wie der Deal mit Brooks durchaus als Beleg für das Wachstum der Mannschaft und des Klubs gesehen werden darf, so wirft Regäsels Abgang kein gutes Licht auf Hertha. Im Gegenteil: Er rückt ein Problem in den Fokus, das die Berliner seit Jahren nicht in den Griff bekommen. Sie schaffen es nicht, nachhaltig und in ausreichendem Maße von ihrer Nachwuchsarbeit zu profitieren. Für Regäsel zum Beispiel kassieren sie von den Frankfurtern nur eine recht dünne Ausbildungsentschädigung.

Der Übergang vom Nachwuchs zu den Profis ist Herthas neuralgische Stelle

Manager Michael Preetz ist zuletzt und auch zu Recht für seine neue Transferstrategie gelobt worden. Mit Marvin Plattenhardt, Mitchell Weiser, Niklas Stark und Sinan Kurt haben die Berliner junge deutsche Spieler mit Perspektive verpflichtet. Allerdings muss man mehr denn je die Frage stellen: Welche Perspektive bietet der Klub eigentlich seinen selbst ausgebildeten Spielern?

Yanni Regäsel hat im vergangenen halben Jahr eine rasante Entwicklung hingelegt. Im Sommer war er von Trainer Pal Dardai noch nicht für wert befunden worden, mit den Profis zu trainieren. Trotzdem hat sich Regäsel im U-23-Team nicht hängen lassen, und als sich ihm im Herbst unverhofft eine Chance bot, weil Peter Pekarik verletzt ausfiel, hat er sie entschlossen genutzt. Der damals 19-Jährige wurde für seine unbekümmerte Art gelobt, seine Coolness und seinen Arbeitseifer. In sechs Spielen durfte er für die Profis spielen, fünf Mal hintereinander stand er in der Startelf.

In den beiden Rückrundenbegegnungen aber schaffte es Regäsel nicht einmal mehr in den Kader. Stattdessen nominierte Dardai bei erstbester Gelegenheit den wieder genesenen Pekarik. Kein Wunder, dass Regäsel nicht gleich voller Euphorie einen Profivertrag bei Hertha unterschrieben, sondern sich lieber ein paar grundsätzliche Gedanken gemacht hat. Man kann das – bei aller Verbitterung über seine vermeintliche Undankbarkeit – durchaus verstehen.

Der Übergang vom Nachwuchs zu den Profis ist bei Hertha seit Jahren die neuralgische Stelle – egal wer als Cheftrainer die Verantwortung trägt. Förderer der Jugend zu sein gehört für einen Hertha-Trainer gewissermaßen zum eigenen Selbstbild. Auch Pal Dardai lobt den Nachwuchs regelmäßig. Und bei ihm als ehemaligen U-15-Coach besitzen solche Aussagen auch eine gewisse Glaubhaftigkeit. Aber die Fakten sprechen bisher eine andere Sprache: In einem Jahr als Cheftrainer hat Dardai exakt einen Spieler aus der eigenen Akademie in der Bundesliga debütieren lassen: Yanni Regäsel. Und der hat jetzt die Flucht ergriffen.

„Aus Berlin. Für Berlin.“ So lautet Herthas Claim. In Wirklichkeit müsste er heißen: „Aus Berlin. Für den Rest der Liga.“ Herthas erfolgreicher Nachwuchs spielt lieber andernorts, und das seit Jahren. Ob die Boatengs, Ashkan Dejagah, Alfredo Morales, Hany Mukhtar, Nico Schulz oder jetzt Regäsel – sie alle haben ihren Ausbildungsklub früh verlassen. Damit sich das grundsätzlich ändert, muss Hertha erkennen, dass es nicht reicht, nur von Perspektiven zu reden; man muss dem eigenen Nachwuchs auch Perspektiven schaffen. Schon in Kürze wird der Klub dazu eine weitere Gelegenheit haben. Wenn es nämlich um die Entscheidung geht, ob der auslaufende Vertrag von Johannes van den Bergh noch einmal verlängert wird. Die Frage ist: Soll die Position als Back-up für Linksverteidiger Marvin Plattenhardt weiterhin mit einem 29-Jährigen besetzt oder nicht doch lieber für den 18 Jahre alten Maximilian Mittelstädt reserviert werden?

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