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Sport: Aus dem Schatten

Eisschnellläuferin Wolf holt WM-Gold – Silber für Friesinger und Pechstein

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Berlin - Sie drehte immer wieder leicht den Kopf, es sah aus, als suchte sie in der Halle irgendein bekanntes Gesicht, irgendjemanden, den sie in diesem Moment anschauen und mit ihm ihre Glücksgefühle teilen konnte. Die Fernsehkameras fingen das schön ein, als die deutsche Nationalhymne ertönte und Jenny Wolf oben thronte auf der höchsten Stufe des Podiums, dort, wo die Sieger stehen dürfen. Ein wenig später sagte Wolf dann erstaunlicherweise, dieser Moment „war doch nichts so Besonderes, eine Siegerehrung wie jede andere“.

Man darf das nicht als kaltschnäuzig verstehen, die wirklichen Glücksgefühle hatten sie einfach zuvor überflutet. In dem Moment, als die Eisschnellläuferin Wolf die Anzeigentafel im Utah Olympic Oval in Salt Lake City sah, die Zahlen zu ihrem 500-Meter-Rennen: 37,04 Sekunden. Weltrekord bedeutete das, und natürlich Platz eins bei der Eisschnelllauf-Weltmeisterschaft. „Ich war sprachlos, überwältigt, ich konnte es nicht glauben. Vom Weltrekord hatte ich als Kind schon geträumt. Und so lange habe ich darauf hingearbeitet, die Nationalhymne zu hören“, sagte sie. Jenny Wolf vom SC Berlin musste 28 Jahre alt werden, um sich ihren Traum zu erfüllen, um erstmals Weltmeisterin zu werden. Um 0,18 Sekunden verbesserte sie den Weltrekord von Catriona LeMay-Doan (Kanada), um 0,67 Sekunden ihre eigene Bestzeit. In Berlin wäre ihr Trainer Thomas Schubert „fast vom Schlitten gefallen, als ich die Zeit sah“. Schubert durfte nicht mit zur WM. Am Anfang war er noch sauer deswegen, aber jetzt „köpfte er ein paar Flaschen Sekt“.

Dass Jenny Wolf das Weltrekordschild mit ihrem Namen an das Portal der Halle heften durfte, sah Schubert auch nur im Fernsehen. Für seine Athletin war das ein „geiles Gefühl“. Ein interessanter Spruch. Er zeigt, dass Jenny Wolf immer stärker ihre neue Rolle verinnerlicht. „Ich bin lieber unbeobachtet“, hatte sie noch vor einem Jahr gesagt. „Mir reicht es, wenn ich zu Wettkämpfen und zur Uni gehe“. Die Literaturstudentin Wolf war der Gegenentwurf zu den exaltierten Kolleginnen Claudia Pechstein und Anni Friesinger. Friesinger gewann nach ihrem fiebrigen Infekt gestern über 1000 Meter Silber, Pechstein wurde über 5000 Meter ebenfalls Zweite und gewann Bronze in der Teamverfolgung mit Daniela Anschütz-Thoms und Lucille Opitz.

Bevor Jenny Wolf Gold holte, besetzte sie den Platz im Schatten der Stars, weil sie weder genügend Erfolg noch Geltungsdrang hatte, um aufzufallen. Und sie genoss diese Rolle so sehr, dass sie nicht mal nachfragte, weshalb ihr Sponsor, eine Energie-Service-Firma, sie nie zu einem PR-Termin verpflichtete.

Aber in der vergangenen Saison gewann sie den 100- und 500-Meter-Gesamtweltcup, weil sie ihre Kurventechnik erheblich verbessert hatte, und da musste sie mit mehr Medieninteresse umgehen. Das ZDF filmte sie plötzlich für ein Porträt. Sie tastete sich eher in ihre neue Rolle, ängstlich und unsicher. Aber gerade hat sie erneut beide Gesamtweltcupwertungen gewonnen, sie ist das Interesse nun gewöhnt. Und wer etwas von den privaten Plänen der Jenny Wolf erfahren möchte, bitte, er muss nur fragen. Nach der WM fährt sie mit ihrem Freund nach Las Vegas, wo viele gerne heiraten. Und, das Ja-Wort?, wollte ein Journalist wissen. Da sagte Jenny Wolf lächelnd: „An Hochzeit ist dort nicht gedacht.“

mit dpa

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