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Moritz Wagner (gelbes Trikot) wird eine große Karriere vorausgesagt.

© dpa

Basketball-Talent im College-Halbfinale: Moritz Wagner: Sie lieben und sie hassen ihn

Der Berliner Moritz Wagner kann der nächste große deutsche Basketballer werden. Sein Jugendtrainer hat bestimmte Talente schon früh erkannt.

Sebastian Trzcionka erinnert sich noch genau, besonders lange ist es ja nicht her. „Es war sein erstes Jahr dort und es lief nicht so gut bei ihm“, erzählt er von seinem Trip in den US-Staat Michigan vor etwas mehr als drei Jahren. Für Trzcionka stand bei dieser Reise Aufbauhilfe an. Er besuchte einen Teenager, der etwas aufgepäppelt werden musste: Moritz Wagner, 17 Jahre alt, groß, blass, dünn und nicht recht zufrieden mit seinem Leben in der nahe Detroit gelegenen Studentenstadt Ann Arbor.

Nun gibt es viele Dinge, die bei einem Teenager fernab der Heimat nicht gut laufen können. Das Heimweh kann aufs Gemüt schlagen oder auch eine unerwiderte Liebschaft. Um die Gefühlswelt des Moritz Wagner stand es aber nicht zum Besten, weil er seiner großen Leidenschaft in Michigan nicht wie gewünscht nachgehen konnte: dem Basketball. „Er war nur ein Rollenspieler mit wenig Spielzeit“, sagt Trzcionka. Der 38-Jährige ist Jugendtrainer bei Alba Berlin und war Ausbilder des Spielers, von dem plötzlich so viele glauben, Deutschland habe bald wieder den ganz großen Sport-Export, einen internationalen Weltstar, und da man im Basketball ist: den neuen Dirk Nowitzki!

Wagner ist der "aggressive leader"

Denn, so viel kann in drei Jahren passieren, Moritz Wagner ist nicht mehr dünn und nicht mehr unzufrieden. Vielmehr hat sich der inzwischen 20-Jährige zu einem der besten College-Spieler des Landes entwickelt. An diesem Wochenende steht er mit seiner Mannschaft von der University of Michigan im Final Four, den Halbfinals, und kann die College-Meisterschaft gewinnen. 65 000 Zuschauer werden im Alamodome San Antonio sein, wenn Wagner mit seinem Team in der Nacht zu Sonntag auf die Loyola University aus Chicago trifft.

„March Madness“ nennen sie es in den USA, wenn im März 64 Universitäten um den Einzug ins Final Four kämpfen. Das Turnier ist das ganz große Ding, und der Berliner Junge Wagner ist mittendrin. Mehr als das sogar.

Wagner ist mit knapp 15 Punkten und sieben Rebounds nicht nur der beste Spieler seiner Mannschaft, er ist auch der „aggressive leader“, der emotionale Anführer. Wagner macht Dinge, die für den Gegner ungemein lästig sein können. Wenn er etwa einen Wurf im Korb versenkt, fixiert er schon einmal sekundenlang seinen Kontrahenten. Er spart auch nicht mit provozierenden Gesten ins gegnerische Publikum. Die Gegner hassen ihn dafür, die eigenen Fans lieben ihn. Moritz Wagner ist also nicht nur ein guter, sondern auch ein sehr lauter Spieler. Der junge Mann aus Berlin ist amerikanischer als jeder Amerikaner. „Er ist ein sehr extrovertierter und selbstbewusster Typ“, sagt Alba-Manager Marco Baldi. „Das haben wir natürlich schnell gemerkt. Der kann nicht nur sein Team mitreißen, sondern eine ganze Halle.“

Weil sie das bei Alba damals, vor fünf Jahren, so schnell gemerkt haben, schauen Baldi und sein Jugendcoach Trzcionka mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf den Hype, der sich um Wagner abspielt. Natürlich hätten sie den Jungen gerne länger in ihrem Klub behalten. Trzcionka erinnert sich noch genau, wie Wagner im Alter von 15 Jahren bei Alba begann. Trzcionka hat schon viele hochbegabte Kids trainiert und gefördert. Moritz Wagner war aber spezieller als andere.

"Moritz wollte immer mehr"

Es war dabei nicht das spielerische Talent, was ihn von den anderen unterschied. „Mit 15 war er noch relativ klein und vor allem dünn. Auch mit 16 war er noch kein dominanter Spieler“, erinnert sich Trzcionka. Viel interessanter an dem Jungen war nicht, was er mit dem Ball machte, sondern was in seinem Kopf vorging. „Die Jungs hatten damals mit der Schule und dem Sport schon ein großes Pensum“, erzählt Trzcionka. „Moritz aber wollte trotzdem immer mehr machen. Er kam oft früher zum Training und ging auch häufig später. Ihm war keine Belastung zu hoch.“ Wenn Trzcionka über die beeindruckendsten Fähigkeiten von Wagner spricht, dann fällt ihm zuerst dessen schnelle Auffassungsgabe ein: „Er lernt unglaublich schnell. Er war immer einer der schnellsten, wenn es darum ging, neue Übungsformen umzusetzen.“ Außerdem sei Wagner der geborene Anführer.

Sonderlich erstaunt ist Trzcionka daher nicht über die Entwicklung, die sein einstiger Schüler gemacht hat. Wagner ragt inzwischen heraus aus seinem Team. Der 2,11 Meter große Power Forward ist enorm beweglich, er hat einen sehr guten Wurf aus der Nahdistanz wie von jenseits der Dreipunkte-Linie. Am spektakulärsten aber ist, wenn Wagner zum Korb zieht, den Ball von einer Hand in die andere gleiten lässt und dann mit dem eigentlich schwachen linken Wurfarm abschließt. Wagner ist ein perfekter Allrounder mit dem Ehrgeiz und Eifer, noch viel besser zu werden. Es gibt kaum einen Zweifel: Wagner wird früher oder später in der NBA landen.

Sebastian Trzcionka und Marco Baldi können also auch ein bisschen stolz auf sich sein. Außerdem haben sie noch einen jungen Spieler in ihrer U-19-Mannschaft, von dem es heißt, er sei noch talentierter als Moritz Wagner. Sein Name: Franz Wagner, der kleine Bruder von Moritz.

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