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Enge Bindung. Bundestrainer Joachim Löw (rechts nach dem WM-Finale in Rio) will seinem Kapitän Bastian Schweinsteiger genügend Zeit einräumen, sich von der im März erlittenen Knieverletzung zu erholen.

© dpa/Suki

Nationalmannschaft: Bastian Schweinsteiger: Meister im Aufholen

Der Kapitän der Nationalmannschaft hat sich vor zwei Jahren schon einmal in ein Turnier gekämpft, das macht ihm jetzt Mut.

Bastian Schweinsteiger hat sich die schwarzen Strümpfe bis dicht unter die Kniescheiben hochgezogen, was seine Waden noch mächtiger erscheinen lässt. Überhaupt bilden sie einen hübschen Kontrast zum weißen Bundesadlertrikot, das er trägt, und seinen graumelierten Schläfen, die im Lichte des Podiums glitzern. Der 31 Jahre alte Auswahl-Veteran mag solche Termine mit der Presse nicht mehr sonderlich, er spielt ja kaum noch. Was soll er schon sagen? Ein Plauderer war er noch nie, mal abgesehen von den ulkigen Poldi-Schweini-Tagen in Schwarz-Rot-Gold, als er zusammen mit Lukas Podolski noch das junge, unverbrauchte Gesicht der deutschen Nationalelf abgab. Lange her.

Mittlerweile halten es einige für ein kleines Wunder, dass die beiden immer noch zum Kreis der Auserwählten zählen, die in den kommenden Wochen in Frankreich möglichst den vierten EM-Titel für das Land des vierfachen Weltmeisters einsammeln sollen.

Vier Spieler muss Löw noch streichen

Vive la Mannschaft, heißt der Slogan, der die Mannschaft von Joachim Löw in diesen Tagen von Ascona umweht. Auf Fähnchen, den Fahrdienst-Autos, den blickdichten Absperrplanen und auf den Trainingstrikots der Spieler steht er geschrieben. Vive le Schweini, möchte man rufen. Allein es fehlt manchem der Glaube.

„Mir geht es gut“, sagt Schweinsteiger. Er habe in den vergangenen Wochen viel mit Physios und Ärzten kommuniziert und sich den Umständen entsprechend in Form gehalten. Kurz vor Ostern hatte er sich einen Innenband-Teilriss im rechten Knie zugezogen, die zweite Verletzung in dieser Saison für ihn. „Das letzte MRT sieht sehr gut aus“, sagt er nun, und es klingt so, als wollte er sich Mut zusprechen.

Schon am kommenden Dienstag muss Bundestrainer Joachim Löw seinen vorläufigen EM-Kader um vier Spieler auf 23 Namen reduzieren. „Ich werde versuchen, mich von Tag zu Tag an die Mannschaft ranzuarbeiten“, sagt Schweinsteiger.

Seit Ende März hat er kein Spiel mehr bestritten

Man kann derzeit nur erahnen, wie weit weg er von der Mannschaft ist. Seit Ende März hat er kein Spiel mehr bestritten, nun wolle er in der Trainingseinheiten „viel aufholen“. Das Gute sei, dass er eine gewisse Erfahrung habe darin. „Vor zwei Jahren hat es gut geklappt, da war ich in einem schlechteren Zustand als jetzt.“ In Brasilien kam Schweinsteiger erst in Schwung, als das Turnier sich dem Ende zuneigte. Unvergessen sein Einsatz im Finale, wie er sich schlachtrossgleich in die Zweikämpfe mit den Argentiniern warf und ihn selbst ein blutender Cut unter dem Auge nicht aufhalten konnte.

„Ich werde ihm Zeit geben“, sagt Löw über Schweinsteiger. Er brauche Trainingsrhythmus, wenn er eingestiegen ist. Ein wenig hat der Bundestrainer sich selbst unter Druck gesetzt, als er nach der WM den alternden Schweinsteiger zum Nachfolger des zurückgetretenen Kapitäns Philipp Lahm ernannte. Wohl ahnend, dass dieser mit immer größeren Ausfallzeiten zu kämpfen haben würde und der Zahn der Zeit am Profi von Manchester United nagt.

Aufgeben, das Wort kennt Schweinsteiger nicht

„Bastian hat einen großen Einfluss auf die Mannschaft, sie kann von seiner Reife, Erfahrung und Persönlichkeit profitieren.“ Das sagte Löw im März vor den Spielen gegen England und Italien, als der 114-fache Nationalspieler auch das zehnte und elfte von siebzehn Länderspielen seit seiner Amtsübernahme verpasste. Bastian Schweinsteiger neigt seinen Kopf leicht. Im Anflug auf das Tessin seien in ihm Gefühle hochgekommen. Vor acht Jahren war hier in Ascona das deutsche EM-Quartier. Im Flugzeug habe er versucht jemanden zu finden, der damals schon als Spieler dabei war. Er fand Mario Gomez und – „Poldi, klar“, wie er erzählt.

Wie die Zeit vergeht, sagen seine Augen. Und richtet sich auf. „Für mich gibt es das Wort Aufgeben nicht.“ Er werde sein Bestes geben, sagt er und haucht ein „mal sehen, ob es reicht“ hinterher.

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