Sport: Beckenbauer teilt aus
Der Präsident des WM-Organisationskomitees rüffelt Bundestrainer Klinsmann und kontert Kritik von Fifa-Chef Blatter
Franz Beckenbauer stand starr am Stehtischchen, die Hand steckte in der Anzughose, die andere umklammerte fest das Mikrofon. „Ach, lassen wir’s jetzt dabei“, knurrte der Präsident des Organisationskomitees der Fußball-WM, „sonst drücke ich mich hier noch viel drastischer aus.“ Still war es nun im kühlen Foyer der Düsseldorfer Fachhochschule, sehr still, denn allen war ja klar: Beckenbauer würde gleich loslegen.
Es ging um ein heikles Thema, um Bundestrainer Jürgen Klinsmann und dessen Nicht-Erscheinen beim WM-Workshop in Düsseldorf. Fast alle Trainer der Teilnehmerländer waren zu dieser organisatorischen Informationsveranstaltung gekommen, darunter auch Sven-Göran Eriksson aus England und der brasilianische Weltmeister-Coach Carlos Alberto Parreira. Deshalb zeigte sich Beckenbauer angesichts der Abwesenheit des Trainers des Gastgeberlandes „ein bisschen irritiert“, wie er anfangs noch recht harmonisch gesagt hatte. Ohnehin war er ja eigentlich gekommen, um zu loben: und zwar die 15 000 freiwilligenHelfer, die bei der WM im Einsatz sind und dafür „sogar auf ihren Urlaub verzichten“.
Nun wäre Beckenbauer aber nicht Beckenbauer, wenn es nicht in regelmäßigen Abständen in bayrischer Tonlage scheppern würde. Fünf, sechs Minuten später war es so weit, die Show begann: „So viele Pflichttermine hat Klinsmann ja nicht in Deutschland, oder?“, zischte der OK-Chef in die Runde und setzte seinen polternden Monolog fort. Klinsmann „hätte hier sein müssen. Aber jeder geht mit seinem Verantwortungsbereich so um, wie er erzogen wurde.“ Wenn der Bundestrainer nicht das Bedürfnis habe, die Kollegen als Gastgeber zu begrüßen, „dann tut mir das Leid. Es ist eine Frage der Höflichkeit. Wir reisen um die Welt, um den Teilnehmern unsere Anerkennung und Respekt auszudrücken. Und er ist bei dieser Veranstaltung nicht da.“
Beckenbauer stand nicht allein auf der Bühne, doch alle anderen hielten lieber den Mund. Als er fertig war mit dem Bundestrainer („Ich habe so oft mit ihm geredet, das macht doch keinen Sinn!“), kümmerte er sich noch um Fifa-Chef Joseph Blatter. Dieser hatte das Ticket-Verkaufssystem unverständlich genannt, was Beckenbauer zum spöttelnden Kommentar veranlasste, dass „gerade das ungefähr 20. Treffen mit der Fifa ansteht“. Und weil auch die Vergabe von kostenlosen Eintrittskarten an Politiker kritisiert worden war, ging Beckenbauer in dieser Angelegenheit ebenfalls zum Gegenangriff über. „Den Bundespräsidenten werden wir nicht in die Fankurve schicken.“
Die Stimmung war nun „erst mal im Eimer“, wie ein OK-Mitarbeiter flüsterte. Der Erste, der sich etwas zu sagen traute, war gar nicht da. DFB-Präsident Theo Zwanziger saß in der Verbandszentrale in Frankfurt, als ihn die Kunde von der Beckenbauer’schen Wutrede erreichte. „Der Franz hat die WM vor Augen und alles, was den Erfolg stören könnte, geht er sehr emotional an“, sagte Zwanziger der dpa. Sicher mache Klinsmann „es uns nicht immer leicht“, aber es gebe eben keine Alternative. Zwar fand auch Zwanziger, dass der Trainer nach Düsseldorf hätte reisen sollen. „Aber es ist wichtig, nicht alles öffentlich zu thematisieren.“ Zwanzigers Rat: „Nach einer kurzen Phase der Emotionen sollte der Verstand wieder eingeschaltet werden.“ Irgendwann am Nachmittag tauchte Oliver Bierhoff auf und versuchte genau dies. „Unter Fußballern geht es eben ruppiger zu“, sagte der Teammanager der Nationalelf. Als man gerade geglaubt hatte, die Situation sei nun beruhigt, fuhr laut heulend ein Wagen mit Blaulicht vor und hielt direkt vor dem Hotel.
Jürgen Klinsmann, das zumindest steht fest, hat einen spannenden ersten Tag beim WM-Workshop verpasst.
André Görke[Düsseldorf]