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Laufen als Auszeit vom urbanen Alltag.

© Paul Zinken/dpa

Kolumne: So läuft es: Beim Laufen ist Frieden

„Wovor läufst Du eigentlich weg?“ – diese Frage hat wohl jeder Läufer schon gehört. Es gibt viele Antworten. Für unseren Kolumnisten ist Laufen eine Art der Meditation.

Wer regelmäßig oder gar täglich läuft, kommt absurderweise oft in die Verlegenheit, sich dafür rechtfertigen zu müssen. Welcher Läufer hat die Frage „Wovor läufst Du eigentlich weg?“ noch nicht gestellt bekommen. Ich habe aufgehört zu zählen, so oft wurde sie mir schon gestellt. Es gibt viele Antworten. Meine ist: „Das Laufen ist meine Art der Meditation.“ Und damit ist jede Diskussion beendet.

Weil ich das in der Tat auch so meine. Und so empfinde. Wenn ich laufe, finde ich Frieden. Finde ich Vertrauen in mich und meinen Körper. Finde ich oft die Wahrheit innerhalb meiner Gedanken. Das Laufen ist die Zeit, die nur mir gehört. Und ich kann sie nutzen, wie ich will. Ich kann meinen Körper fordern und alles geben, bis meine Lunge kaum noch kann.

Ich kann aber auch achtsam mit mir und der Natur sein. Und – wie gestern – an einem See anhalten, dem Schwan-Ehepaar und seinen Jungen zusehen, mich zu ihnen ans Ufer setzen. Ihr Vertrauen genießen. Und weiterlaufen. Dabei „Das Leben ist schön“ von Sarah Connor hören, und an Großmutter denken, die nun drei Monate tot ist. Und die mir an so einem Tag mal wieder unendlich fehlt.

Das Laufen ist meine Zeit. Und meine Meditation. Und meine Flucht vor der Welt. Vor dem unfassbaren Leid nach dem Terroranschlag von London, vor der Unglaublichkeit der täglichen Trump-Nachrichten. Vor dem Hass, dem Hohn und dem Spott in den sozialen Netzwerken, die oft eher asozial als sozial sind. Das Laufen ist nicht nur ein Sport, es hat etwas sehr Echtes, es hat etwas von Wahrheit. Zehn Kilometer sind eben zehn verdammte Kilometer. Wenn der Körper Signale sendet, dann kommen diese direkt und ungefiltert im Kopf an.

Wenn man die Seele während des Laufens baumeln lässt, wenn man zulassen kann, sich fallen zu lassen, reinigt so ein Lauf von innen. Während des Laufs bleibt der Alltag, bleibt die Welt draußen. Und es stellt sich das Gefühl von Frieden ein. Wer also gefragt wird, warum er läuft, wer sich selbst fragt, was das Laufen wohl bringen mag, für den ist die wichtigste Antwort sicher: Weil das Laufen Frieden geben kann. Und dabei geht es eben nicht um die Frage, ob es wichtig ist, nach Plan zu laufen.

Wir haben für alles im Leben einen Plan. Für wirklich alles. Sogar für den Alltag. Die ganze Woche ist verplant. Lassen wir beim Laufen einfach den Plan weg. Laufen wir einfach. Es sollte uns nicht um Zeiten gehen oder um das Idealgewicht, das Leben ist Wettkampf genug. Wir brauchen ihn nicht auch noch beim Laufen. Vielleicht kann es auch eine Insel sein, die nur Ihnen gehört. Einfach Ihre Art der Meditation. Und sie wachen wieder auf und haben neue Energie. Für das Abenteuer Leben. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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