Olympia kommentiert: Berlin 2010
Christian Hönicke freut sich auf die wahren Winterspiele – direkt vor der eigenen Haustür.
Schon als die Wahl damals fiel, rieben sich Wintersportexperten verwundert die Augen. Vancouver? Kanada? Und tatsächlich: Es rächt sich nun, dass das IOC die Winterspiele in ein exotisches Badeparadies ohne Wintersporttradition vergeben hat. Vor der Eröffnungsfeier am Freitag müssen tonnenweise Kunstschnee durch die kanadische Sonne gekarrt werden. Die wahren Ski- und Rodelfreunde haben sich längst mit Grausen abgewendet; ihr Blick richtet sich stattdessen auf den Austragungsort der erstmals ausgetragenen Alternativwinterspiele: Berlin.
In jener Hochburg des Eisvergnügens ziehen Wetter, Bevölkerung und Stadtverwaltung an einem Strang, um dem geneigten Fachpublikum nicht nur auf den ungeräumten Bürgersteigen Wintersport allererster Güte zu bieten. Etwa der Eiskunstlauf, der als Freiluftevent auf dem Alexanderplatz ausgetragen wird. Rund um die Weltzeituhr überbieten sich vor allem spanische Touristen in grün-roten Daunenjacken im Kampf um Gold mit denkwürdigen Pirouetten.
In der neu aufgenommenen Disziplin „Pfütze oder Eis?“ werden dagegen stadtweit an Bürgersteigkanten die Träger des wasserdichtesten Schuhwerks gekürt. Ebenfalls eine Premiere feiern das „20-minütige Ausparken ohne Anschieben“, für das in dieser Nacht wieder Neuschnee um Parklücken angefroren werden sollte, sowie der Überlebenswettkampf der Allerhärtesten: „Fahrradfahren“. Außerdem sollen die inoffiziellen Betreiber der Hasenheide ihr Revier mit einem großen Spitzhackeneinsatz für die Snowboard-Wettbewerbe herrichten.
Das Highlight der Spiele im Winter-Eldorado dürfte – neben dem Plastiktütenrodeln im Mauerpark – aber das Buckelpistenrennen werden. Stars aus aller Welt werden sich dazu an einer Strecke einfinden, die schon im unvereisten Zustand als eine der anspruchsvollsten der Welt gilt. Restkarten für das Event auf der legendären Berlinale-Treppe am Potsdamer Platz sind noch zu haben. Angeblich hat IOC-Präsident Rogge schon angefragt.