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Sport: „Berlin ist ein gutes Pflaster für Handball“

Bundestrainer Heiner Brand über seinen Plan, in der Hauptstadt seinen Sport neu aufzubauen

Was bleibt vom Vizeweltmeistertitel in Portugal in Ihrer Erinnerung haften?

Nur sehr positive Dinge. Realistisch betrachtet hatten wir mit den Ausfällen von Daniel Stephan und Frank von Behren vor dem Turnier und mit den Verletzungen von Stefan Kretzschmar und Volker Zerbe vor dem Endspiel unsere Grenzen. Dafür haben wir im Turnier Überragendes geleistet.

Haben Sie sich mittlerweile ein Bild über die Resonanz in Deutschland machen können?

Ich merke am starken Interesse der Bevölkerung, wie viel Aufmerksamkeit wir errungen haben durch unser Auftreten. Diese Aufmerksamkeit ist wesentlich größer als nach der VizeEuropameisterschaft im Vorjahr in Schweden.

Woran merken Sie das?

Das wird mir auch von allen bestätigt, die dem Handball nicht nahe stehen. Alle sagen: Bei uns in der Tennishalle oder im Fußballstadion ist nur über Handball gesprochen worden, mit großer Kenntnis der Namen der einzelnen Spieler. Das sind Dinge, die so lange nicht passiert sind. Das belegen auch die hervorragenden Einschaltquoten bei unserem Turnier.

Ihr Spieler Stefan Kretzschmar hat hingegen nach dem verlorenen WM-Finale prognostiziert, dass es für einen neuen Handball-Boom nicht reichen werde.

Ich weiß nicht, ob Stefan Kretzschmar das so beurteilen kann.

In Deutschland, so sein Argument, zählen nur Titel.

Da ist die Reaktion aber anders. Ich meine, dass wir mit unseren Auftritten mehr bewegt haben, als wir das sonst mit zweiten oder dritten Plätzen getan haben. Den Leuten sind einfach tolle Spiele in Erinnerung geblieben. Das wirkt sich schon jetzt aus: Es sind nun auch viele junge Leute in den Hallen, die vorher nicht da waren. Natürlich kann man nicht erwarten, dass unsere Mitgliederzahl schlagartig um 100 000 steigt. Aber wir müssen jetzt da weitermachen, wir müssen zum Beispiel unsere Spiele besser verkaufen.

Handball soll jetzt öfters in Großstädten präsentiert werden, um dem dörflichen Image des Handballs entgegenzutreten. Am 22. März zum Beispiel spielt Ihr Team in der Berliner Max-Schmeling-Halle gegen Island.

Wir sind auch in der Vergangenheit immer in den großen Hallen gewesen, etwa in Dortmund. Und wenn wir in Riesa gespielt haben, waren auch 5000 Leute in der Halle. Nur müssen wir den Schritt in die großen Hallen nun konsequent weitergehen.

Apropos Großstädte: Berlin und München sind noch Handball-Diaspora. Sie haben einmal angedeutet, dass Sie sich vorstellen können, in einer solchen Stadt den Vereinshandball zu etablieren. Ist diese Überlegung noch aktuell?

Aktuell ist es so, dass ich mit dem Deutschen Handball-Bund noch einen Vertrag bis 2005 habe. Was ich danach mache, ist offen. Durchaus möglich, dass ich weiter Bundestrainer bleibe, mir macht die Arbeit ja auch sehr viel Spaß. Ursprünglich war der Termin 2005 ja verbunden mit der Handball-WM, die ja eigentlich bei uns ausgetragen werden sollte (die aber nun in Tunesien stattfinden wird, Anm. der Red.). Daher muss ich jetzt darüber nachdenken, ob nicht schon nach den Olympischen Spielen 2004 in Athen Schluss sein sollte. Wie gesagt, der Reiz wäre groß, in einer Großstadt etwas aufzubauen, weil der Handball nun in die Großstädte will und muss. Von daher wäre das eine der Möglichkeiten, die für mich in Frage kämen.

In Berlin ist es schwer, eine Sportart zu etablieren?

Aber da sehe ich viel größere Schwierigkeiten in München. Berlin hat ja Handballgeschichte, wenn ich an die große Zeit der Reinickendorfer Füchse mit Bendzko denke. Da war viel Handballbegeisterung damals. Berlin sehe ich deswegen als gutes Pflaster an, wieder etwas aufzubauen, auch weil hier schon Hallen da sind. Es ist wichtig, dass die leeren Stellen auf der Handballkarte nicht mehr existieren.

Die Berliner Zuschauer gelten als sehr erfolgsorientiert.

Das stimmt, aber bei Hallensportarten, glaube ich, ist diese Erfolgsorientierung nicht so entscheidend.

Ist die Liga vertraut mit Ihren Überlegungen, oder sind das ausschließlich Ihre Gedankenspiele?

Das findet bis jetzt nur in meinem Kopf statt. Wenn der Ligaverband einmal fest etabliert ist, dann ist das für die sicherlich auch ein Thema. Aber so was, denke ich, muss sich ohnehin auf Privatinitiative einiger Leute gründen, die sagen: In dieser Stadt wollen wir was aufbauen. Dann wird die Liga automatisch ihre Hilfe anbieten und ihre Erfahrungen weitergeben.

Das Gespräch führte Erik Eggers

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