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Sport: „Berlin, wir kommen“

Der Boxstall von Wilfried Sauerland wird Köln verlassen – Weltmeister Sven Ottke freut sich auf die Rückkehr in seine Heimat

Von Michael

Rosentritt

Berlin. Hagen Doering hockte über Weihnachten in seiner alten Heimat Berlin über Bauskizzen. Doering hat Großes vor. Der Boxstall von Wilfried Sauerland, das Camp Cologne, wird den alten Standort Köln verlassen und nach Berlin umziehen. „Wir stimmen gerade die baulichen Maßnahmen ab, danach kann es losgehen“, sagt Doering. Doering trat im vergangenen Sommer die Nachfolge von Jean-Marcel Nartz an, der zum Jahreswechsel zu Sauerlands Konkurrenten Klaus-Peter Kohl und dessen Hamburger Stall Universum Box-Promotion geht. Während Nartz zwei Jahrzehnte für Sauerland die Kampfabende mit Boxern wie Weller, Jassmann, Rocchigiani, Maske und Schulz organisierte, ist der 31-jährige Doering weitgehend unbekannt in der Branche. „Das ist doch eine Herausforderung“, sagt Doering. „Wir kommen nach Berlin.“

Seine breite Nase holte sich Doering beim Boxen, seinen Riecher bei Blüm, Norbert Blüm, den ehemaligen Bundesarbeitsminister. Doering wuchs auf in Ostberlin, wurde Boxmeister bei den Junioren und arbeitete bis zum Sommer als Referent im Büro Blüm. Das war die Zeit, als sich viel tat im deutschen Berufsboxen. RTL und Sat 1 hatten sich nach fast einem Jahrzehnt aus dem Boxgeschäft zurückgezogen. ARD und ZDF sicherten sich für die kommenden Jahre die Rechte. Während Kohls Universum Box-Promotion mit Kämpfern wie den Klitschkos und Michalczewski im ZDF zu sehen sind, wurde sich Sauerland mit der ARD einig, wo die Kämpfe von Markus Beyer und Sven Ottke gezeigt werden. Bis zu zehn Kampfabende im Jahr will Sauerland auf die Beine stellen. Konkurrent Kohl plant fast doppelt so viele.

Damals hielten sich auch Gerüchte, nach denen Sauerland sich langsam aus dem Geschäft zurückziehe. Der Frontwechsel von Jean-Marcel Nartz erschütterte die Szene. Auch an Hans-Ullrich Wegner, dem Trainer von Weltmeister Sven Ottke, wurde gebaggert. Die Verunsicherung war groß im Sauerland-Stall. „Erst ging es um meinen Trainer und mich, jetzt ist der Matchmaker dran. Wie soll das weitergehen?“, fragte Sven Ottke. Sauerland bestritt derartige Absichten. „Im Gegenteil, ich habe neue Pläne“, sagt Wilfried Sauerland. „Neue Entwicklungen bieten die Chance für neue Wege und neue Ideen.“ Hagen Doering wurde neuer Sportkoordinator. „Nartz war 24 Stunden für das Boxen da. Für Hagen wird es schwer, diesen Mann zu ersetzen“, sagt Wegner, „aber er kann es schaffen.“

Christian Meyer übernahm bereits vor einem Jahr die Geschäftsführung der „Sauerland Event GmbH“. Die Gesellschaft übernimmt die Vermarktung der Veranstaltungen und die der Sportler. Meyer arbeitet seit 1997 für Sauerland, führte die Geschäfte aber aus London und der Schweiz, ehe er nach Köln umzog. Nun wird er wieder umziehen, nach Berlin, auf das Gelände am Olympiastadion. Rund 1000 Quadratmeter sollen angemietet werden. Anders als in Köln sollen Box-Gym und Büro zusammengelegt werden. Die Verhandlungen mit dem Senat und der Verwaltung des Olympiageländes laufen. „Da ist zwar einiges baulich erforderlich. Aber wir packen es an“, sagt Doering.

Sauerlands Camp wird die alten Räumlichkeiten im Schatten des ehemaligen Köln-Müngersdorfer Stadions verlassen, die einst mit RTL eingerichtet worden waren. „Köln hat uns nicht den Zuspruch gebracht, den wir erwartet hatten. Mit dem Menschenschlag bin ich gut ausgekommen, aber in Berlin erhoffen wir uns mehr Anerkennung“, sagt Hans-Ullrich Wegner. Der 60-jährige Trainer kommt gern in seine alte Heimat zurück. In Berlin betreute er jahrelang Deutschlands beste Amateure. Mit 122 Medaillen bei nationalen und internationalen Meisterschaften ist Wegner einer der erfolgreichsten Trainer weltweit. Auch er bekannte sich im Sommer zu Sauerland. „Viele Boxer sind wegen mir zu Sauerland gekommen. Die kann ich nicht im Stich lassen. Das ist eine Sache der Seele. Ich hätte ja keinem mehr in die Augen gucken können.“

„Bis Sommer können wir es schaffen“, sagt Sauerland. Gründe für den Umzug gibt es viele. „Die meisten unserer Boxer sind in Berlin ihrem Zuhause näher als in Köln. Außerdem erhoffen wir uns in den Medien eine bessere Präsenz als im Westen“, sagt Sauerland. Die Anbindung an Frankfurt/Oder, wo der frühere Maske-Trainer Manfred Wolke eine Sauerland-Zweigstelle betreibt, ist ein weiterer Grund. „So können wir kurzfristig Sparringspartner austauschen“, sagt Doering.

Demnächst wird Sauerland 63. Reich geworden ist der Geschäftsmann mit Getränkeabfüllanlagen und Brauereien in Zentral- und Ostafrika. Nebenbei organisiert er seit 25 Jahren Boxabende. Sein Konkurrent Kohl hat ihn mit den Klitschkos, den Schwergewichtshoffnungen, zwar überholt, aber nicht eingeholt. Sauerland darf für sich in Anspruch nehmen, das Berufsboxen in Deutschland wieder salonfähig gemacht zu haben. „Berlin ist ein mutiger und zudem ein wegweisender Schritt.“

MichaelRosentritt

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