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Florian Lipowitz gewann als erst dritter Deutscher das Weiße Trikot für den besten Jungprofi bei der Tour de France.

© AFP/Loic Venance

Bester Jungprofi bei der Tour de France: Von Florian Lipowitz ist künftig noch Großes zu erwarten

Der Deutsche erweist sich bei 112. Frankreichrundfahrt als unbekümmert und lernfähig. Seine Leistung krönt er mit Platz drei hinter den Superstars Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard.

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Jetzt muss Ralph Denk wohl doch noch Platz schaffen im Büro. Tagelang hatte der Chef des Rennstalls Red Bull-Bora-hansgrohe beteuert: „Während des Rennens getragene Trikots kommen bei uns nicht an die Wand. Sondern nur solche, die am Ende der Rundfahrt verliehen werden.“

Eine unfallfreie Fahrt über Paris’ Stadtberg Montmartre war also die Voraussetzung dafür, damit das Weiße Trikot des Florian Lipowitz in Zukunft einen Platz an der Trophäenwand des Rennstalls findet. Und so kam es dann auch am Sonntag. Lipowitz rollte beim Sieg von Wout van Aert auf der spektakulären letzten Etappe gleichermaßen glücklich wie geschafft über die Ziellinie.

Bei dieser 112. Frankreichrundfahrt erwies sich der 24 Jahre alte Ex-Biathlet als Bester der Jungen. Schon das ist eine besondere Leistung. Nur zwei deutsche Profis erreichten das bisher: Dietrich Thurau und Jan Ullrich. Auch der dritte Gesamtrang von Lipowitz ist eine Rarität für deutsche Radprofis. Der letzte war 2006 Andreas Klöden als Zweiter, davor sechsmal Jan Ullrich inklusive eines Toursieges, und 1932 noch der Berliner Kurt Stöpel. Das war es auch schon aus deutscher Sicht in 122 Jahren Tour de France in Sachen Siegerpodium.

Für Lipowitz würde damit „ein großer Traum in Erfüllung“ gehen, wie er schon vor der Schlussetappe erzählte. Ohne große Erwartungen kam er zur Tour. „Anders als Primoz Roglic, der gleich den Druck hatte, performen zu müssen“, sagte er mit Blick auf den elf Jahre älteren und um fünf Grand-Tour-Siege besseren Teamkollegen. „Einfach bis Paris kommen und viel dabei lernen“, gab er selbst immer wieder als Ziel aus.

Gelernt hat er. Als Neuling wurde er gleich in die – O-Ton Tadej Pogacar – „härteste Tour, die ich wohl je gefahren bin“, geworfen. Er lernte, sich zu behaupten. Im Schatten der Großen fuhr er in den Pyrenäen auf Rang drei. In den Alpen wurde er übermütig, attackierte am Fuß des mächtigen Col de la Loze sogar Pogacar und dessen Dauerrivalen Jonas Vingegaard.

„Dort unten im Tal schauten sich alle an. Ich habe dann schnell die Lücke gefunden“, beschrieb er die Situation. „Es war eine Instinktattacke“, bestätigte halb beglückt, halb besorgt Rolf Aldag. Beglückt war der Head of Performance vom Rennstall Red Bull-Bora-hansgrohe von der Entschlusskraft seines Schützlings.

Am Col de la Loze wurde Lipowitz übermütig

Der fuhr zwischenzeitlich nämlich drei Minuten heraus auf die zaudernden Top-Stars und distanzierte auch seinen wichtigsten Gegner im Kampf um Weiß und Platz drei, den Schotten Oscar Onley. Dann aber folgte der Einbruch. Er hatte sich überschätzt. „Auf den letzten zehn Kilometern war die Energie nicht mehr da. Und die letzten zwei Kilometer waren die Hölle“, sagte er selbst. Nur noch 22 Sekunden Vorsprung rettete er vor Onley. Dieser Ausgang besorgte dann auch Aldag.

Lipowitz indes zeigte die richtige Reaktion. Tags darauf kannte er nichts anderes als das Hinterrad des Schotten. Er ließ seinen Rivalen nicht aus den Augen. Und als der im Finale nach La Plagne dem Tempo von Pogacar nicht mehr folgen konnte, spannte sich Lipowitz vor die beiden Großen dieses Sports. Aldag feierte das – erneut eine Instinktreaktion von Lipowitz – als „genial“: „Oscar ist explodiert. Und bevor Pogacar und Vingegaard wieder Tempo rausnehmen konnten, sorgte er dafür, dass die Lücke größer wurde.“

Erst sechs Jahre ist Lipowitz ernsthaft im Radsport. Aber er versteht es, Rennen zu lesen. Er versteckt sich nicht, ist mutig, geht manchmal auch über seine Grenzen. Aber er lernt daraus. Die nächste Attacke ist klüger gesetzt. Diese Mischung aus Unbekümmertheit und schneller Lernfähigkeit macht den Deutschen zu einem Hoffnungsträger auch für die kommenden Jahre.

Seine weitere Rennplanung will die sportliche Leitung mit ihm erst in den nächsten Tagen besprechen. Die Deutschland-Tour ist unwahrscheinlich wegen der fehlenden Berge, auf denen er glänzen könnte. Die Vuelta gleich nach der Tour womöglich zu belastend für den noch jungen Organismus. Ein Mann für die schwere Weltmeisterschaft in Ruanda ist ein Florian Lipowitz in dieser Verfassung aber allemal.

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