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Husain Abdullah von den Kansas City Chiefs.

© imago

Big Four - Die US-Sport-Kolumne: Beten Verboten? Husain Abdullah und die strengen NFL-Regeln beim Jubeln

Nach einem Touchdown kniete sich der gläubige Muslim Husain Abdullah zum Beten auf den Boden - und wurde dafür von den Schiedsrichtern bestraft. Eine Fehlentscheidung, wie mittlerweile auch die NFL eingestand - und doch Ausdruck eines teilweise paranoiden Regelwerks.

Das Regelwerk in der National Football League (NFL) ist bekannt dafür, nicht sonderlich viel Spaß zu erlauben. Gerade was überbordende Euphorie und mögliches unsportliches Verhalten angeht. Die ganze Bandbreite der bestrafungswürdigen Aktivitäten ist auch Dank Stevie Johnson bekannt, der in seiner Zeit bei den Buffalo Bills immer wieder Geldstrafen und auch empfindliche Penaltys während der Spiele kassierte, weil er es einfach nicht lassen konnte. Gegen die New York Jets (zu Deutsch: Düsenflieger) mimte er nach einem Touchdown mit ausgebreiteten Armen ein abstürzendes Flugzeug, gegen die New England Patriots stellte er sich neben die mit Gewehren ausgestatteten Patrioten-Maskottchen und tat so, als würde er sich selbst erschießen. Botschaften unter dem Trikot? Natürlich auch verboten, auch wenn das „Happy New Year“ auf Johnsons Unterhemd am Neujahrstag 2012 eher harmlos anmutete – 15 Yard Raumgewinn für den Gegner und die Strafversetzung auf die Bank durch seinen wütenden Trainer waren die Folgen.

Husain Abdullah ist nicht wie Stevie Johnson. Der fromme Moslem spielt als Free Safety für die Kansas City Chiefs und ist in seiner Karriere bislang nicht durch Extrovertiertheit, sondern nur durch sportliche Leistung aufgefallen. Und durch die ungewöhnliche Tatsache, dass er sich im besten Sportler-Alter für ein Jahr verabschiedete. Eine komplette Saison ließ Abdullah ausfallen, um sich auf die islamische Pilgerreise nach Mekka zu begeben. „Er ist eine gute Seele und ein sehr intelligenter Football-Spieler. Er mag den Sport, aber manchmal ist Sport nicht alles im Leben“ sagte Chiefs-Manager John Dorsey über Abdullah.

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Doch am vergangenen Sonntag erwischte es auch Abdullah. „Unsportsmanlike Conduct“, unsportliches Verhalten urteilte der Schiedsrichter und verhängte eine Strafe von 15 Yards (als automatischer Raumgewinn für den Gegner). Was war passiert? Der 29-Jährige hatte einen Pass von Patriots-Quarterback Tom Brady abgefangen und den Ball zurück in die gegnerische Endzone getragen. Ein höchst seltenes Erfolgserlebnis für Verteidiger im American Football und erst der zweite Touchdown in der Karriere von Abdullah. Anschließend ließ er sich auf beide Knie sinken, senkte den Kopf Richtung Boden und verharrte so kurz. Keine ausufernde Geste, aber Grund genug für das Schiedsrichtergespann, sich zum Handeln genötigt zu sehen. Schlimmer noch: Abdullah würde wohl obendrauf noch eine Geldstrafe bezahlen müssen, denn bei Vergehen im Bereich „Unsportliches Verhalten“ in der NFL ist dies üblich. Entsprechend groß war die Empörung auf Twitter, wo unter anderem Abdullahs Spielerberater warnte: „Wenn die NFL Abdullah dafür bestraft, wird es einige Probleme geben“.

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Das Regelwerk scheint den Unparteiischen zwar zunächst Recht zu geben, zumindest streng genommen: „Jede Form von Feiern oder Demonstrieren eines Spielers, wenn dieser auf dem Boden ist“ ist demnach untersagt. Nun ist es aber absolut nichts Neues, dass ein Footballspieler kurz betet oder eine religiöse Pose einnimmt.

Erinnert sei an den strengen Christen Tim Tebow, der während seiner kurzen aber turbulenten Zeit als Star-Quarterback der Denver Broncos (und auch schon vorher in der College-Liga) die Gebets-Pose geradezu zum Markenzeichen gemacht hatte. Auch am vergangenen Wochenende, einen Tag vor der fragwürdigen Entscheidung gegen Abdullah, ging zum Bespiel Brandon Marshall von den Chicago Bears nach einem Touchdown kurz auf die Knie. Die Szene fand keinerlei Beachtung, weder vom Schiedsrichtergespann noch in den Medien. Es ist eben nichts Ungewöhnliches.

Der Jubel des Christen Tim Tebow wurde von der NFL nie beanstandet

Umso erstaunlicher, dass bei Abdullah die gelbe Flagge flog. Auch weil es in dieser Hinsicht im Jahr 2013 bereits ein unmissverständliche Ansage vom damaligen Vizepräsidenten der NFL-Schiedsrichterkommission Mike Pereira gab: „Es gibt keine Strafe, wenn du aus religiösen Gründen zu Boden gehst“ – die Auslegung der Regel hätte also klar sein müssen.

Zum Glück blieb die Liga dieser Linie dann auch im Fall Abdullah treu, womit sie dem sich anbahnenden nächsten Entrüstungssturm schnell den Wind aus den Segeln nahm. Pereiras Nachfolger Michael Signora gab einen Tag später via Twitter bekannt: „Abdullah hätte nicht bestraft werden dürfen. Die Regel-Vorgabe ist, einen Spieler nicht zu bestrafen, wenn er aus religiösen Gründen zu Boden geht.“

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So dürfte die Angelegenheit schnell wieder vom Tisch sein, was für die Liga gut ist. Denn noch einen Skandal kann sie im Moment überhaupt nicht gebrauchen. Und sie zeigt, dass sie auch in der Lage ist, offensichtliche Fehlentscheidungen oder überzogene Reaktionen ihrer Schiedsrichter zu revidieren.

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Seinen Anfang nahm das harte und manchmal etwas paranoid wirkende Vorgehen der Schiedsrichter und Liga-Offiziellen gegen überzogenes Jubeln mit den Arien der schillernden Star-Receiver Chad Johnson (Cincinnati Bengals) und Terrell Owens (u.a. San Francisco 49ers). Irgendwann schob die NFL den immer neuen kreativen Darbietungen der beiden mit Regelverschärfungen einen Riegel vor. Auch hierzu hatte übrigens Stevie Johnson eine Meinung: „Why so serious?“ („Warum so ernst?“) stand als Botschaft auf seinem Unterhemd, das er nach einem Touchdown in Cincinnati präsentierte. Dafür bekam er eine Geldstrafe von 5000 Dollar.

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