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Olympia: Bierbänke in Peking

Für die deutschen Hockeyspielerinnen hat die konkrete Olympiavorbereitung begonnen. Dazu gehört auch die Organisation passender Sitzgelegenheiten.

In seinem beruflichen Leben befasst sich Professor Wolf Kersten mit komplizierten betriebswirtschaftlichen Themen, mit Kreditrisikomanagement zum Beispiel oder internationalem Marketing. In den nächsten Wochen aber muss der Hamburger ein eher profanes Problem lösen: Wie treibt man in Peking ein paar gute deutsche Bierbänke auf? Kersten, der in China lebt und lehrt, hat Michael Behrmann, dem Trainer der deutschen Hockey-Frauen, bei diesem logistischen Problem seine Unterstützung zugesagt.

Ende vergangenen Monats war Behrmann für zwei Tage zur Vorbesichtigung in Peking, und beim Besuch des Olympischen Dorfs hat er festgestellt, dass sich mit ein paar Bierbänken ein gewöhnliches Wohnzimmer recht problemlos zu einem Besprechungsraum umrüsten lässt. Ein bisschen Fantasie ist auch noch nötig. „Die Außenhaut steht“, sagt Behrmann über den Zustand der künftigen Athletenunterkünfte. Innen aber fehle noch fast alles. „Da fragt man sich natürlich: Wie kann das in 160 Tagen fertig sein?“

Man braucht sowieso ein bisschen Fantasie, um sich bei winterlichen Temperaturen im Februar vorzustellen, wie einem im August der Schweiß aus allen Poren rinnen wird. 90 bis 95 Prozent Luftfeuchtigkeit erwarten die Hockeyspieler (und alle anderen Sportler) bei Olympia, dazu dürfen die Trainer nur 16 Spielerinnen nominieren statt wie bei anderen großen Turnieren 18. „In Peking wird nicht unbedingt die spielerisch beste Mannschaft gewinnen“, sagt Behrmann, „sondern diejenige, die alle Widrigkeiten am besten einsortieren und sich dagegen wehren kann.“

Vor ein paar Jahren wären die deutschen Frauen unter diesen Umständen als Favoriten auf die Goldmedaille schon von vornherein ausgeschieden – eine überragende Athletik, für konstante Leistungen auf höchstem Niveau unerlässlich, haben sie selten besessen. Doch seitdem Behrmann die Mannschaft trainiert, mehren sich die Zeichen für mehr Stabilität. „Wir sind schon klarer in der Spitze drin als damals in Athen“, sagt der Bundestrainer. Damals, als die Deutschen überraschend Olympiasieger wurden. Als aber zwischendurch auch die Sorge bestand, dass die Mannschaft das Turnier als Letzter beenden könnte. „Wenn wir jetzt ins Halbfinale kommen, ist das eigentlich keine Überraschung“, sagt der Bundestrainer.

Athen verflüchtigt sich immer mehr zum Mythos; viel eher greifbar ist der Erfolg bei der Europameisterschaft vor einem Jahr, auch damals nach einem Finalsieg gegen die vermeintlich übermächtigen Holländerinnen. Aus dem Athener Goldteam sind noch sechs Spielerinnen dabei, aus dem EM-Kader hat nur Britta von Livonius aufgehört. Das Gerüst steht, und es wackelt nicht. Vor zwei Wochen waren die Spielerinnen zur medizinischen Untersuchung und zu Leistungstests in Köln, in der vergangenen Woche haben sie beim ersten zentralen Lehrgang einen Eindruck von den Belastungen der kommenden Monate bekommen. Im Grunde hat die konkrete Vorbereitung für Olympia damit begonnen. Bei aller Anstrengung – „es kribbelt schon ein bisschen“, sagt die Berlinerin Natascha Keller.

In den nächsten Monaten wird den Spielerinnen einiges abverlangt: Mehrere Lehrgänge stehen an, die Champions Trophy der sechs weltbesten Mannschaften in Mönchengladbach Mitte Mai und, Anfang Juli, ein Vier-Nationen-Turnier in Bremen. Dazwischen hat Michael Behrmann seinen Spielerinnen zwei Wochen Urlaub verordnet. Er will sogar kontrollieren, dass alle den tatsächlich nehmen, wegfahren und Kraft schöpfen. Am besten in der Sonne. Dann können sie schon ein bisschen Schwitzen üben.

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