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Kaweh Niroomand, 69, ist Manager der BR Volleys und Sprecher der sechs großen Berliner Profiklubs.

© IMAGO/Andreas Gora

BR Volleys-Manager Kaweh Niroomand im Interview: „Wir wissen, dass wir eine riesige Lücke hinterlassen würden“

Kaweh Niroomand über die Wechselpläne der Berliner nach Polen, die Versäumnisse des Verbandes und ein Volleys-Frauenteam.

Kaweh Niroomand, die Volleys-Fans sind dazu aufgerufen, zum Heimspiel am Sonntag in der Max-Schmeling-Halle ihr Altpapier mitzuschleppen. Was steckt dahinter?
Wir wollen auf das Thema Weiterverwertung von Papier aufmerksam machen. Das Auftaktspiel gegen Friedrichshafen, bei dem viele Zuschauer sein werden, ist ein guter Zeitpunkt. Neben der Sammlung von Altpapier gibt es noch weitere Initiativen, zum Beispiel werden wir auf Klatschpappen verzichten. Stattdessen wird das Spiel durch eine Live-Band begleitet. Und den Becherpfand spenden wir für das Pflanzen von Bäumen.

Der Verein vergleicht sich mit einem Kolibri, der mit seinem kleinen Schnabel Wasser sammelt und versucht einen Waldbrand zu löschen. Ganz nach dem Motto: Jeder tut seinen Teil…
Ja, die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit bewegen die Zukunft der Menschheit. Jeder muss seinen Beitrag leisten. Wir wissen aber auch: Es würde nicht der Wahrheit entsprechen, uns bereits als klimaneutral zu bezeichnen. Dazu gehören zu viele Facetten, sei es die Produktion der Trikots oder die Art, wie wir reisen als Beispiel.

Ich kann nicht garantieren, dass die Mannschaft bald mit einem Elektrobus zu Außenterminen fährt. Deshalb wollen wir uns nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber uns sukzessive in diese Richtung bewegen.

Gleich an diesem Sonntag geht es gegen den Dauerrivalen VfB Friedrichshafen. Was ist für die Volleys drin?
Das ist ein sehr schöner Auftakt. Meist läuft die Mobilisierung der Fans und Zuschauer eher über den Verlauf der Saison. Direkt mit so einem Kracher und dann auch noch zuhause zu starten, ist sehr gut. Damit können wir die Grundlage schaffen, um Menschen, die wir bei den Endspielen in der vergangenen Saison gewonnen haben, zu halten.

Beim Bouncehouse-Cup haben die Volleys bereits den ersten Titel der Saison geholt. Haben Sie damit gerechnet?
Nein, ehrlich gesagt nicht. Zum Anfang der Saison kommt es vor allem darauf an, wie eingespielt eine Mannschaft ist. Da habe ich Düren und Friedrichshafen klar im Vorteil gesehen. Gerade Friedrichshafen hat zwar einige neue Spieler, aber der Kern ist geblieben. Bei uns hingegen sind gerade auf zentralen Positionen neue Spieler. Deshalb hat es mich positiv überrascht, wie weit wir schon sind. Dennoch handelt es sich lediglich um eine Momentaufnahme, die wenig über den weiteren Verlauf der Saison aussagt.

Beim Bouncehouse Cup holten die Volleys den ersten Titel.
Beim Bouncehouse Cup holten die Volleys den ersten Titel.

© Elisabeth Kloth

Düren ist gleich in der ersten Runde gegen die Netzhoppers Königs Wusterhausen ausgeschieden, die am Ende sogar Dritter wurden. Auch Herrsching hat sich hervorgetan. Ist die Liga enger zusammengerückt?
Ja, die Mannschaften haben sich mit ihren Möglichkeiten sehr gut und gezielt verstärkt. Es gibt zwar weniger Teams, aber die Qualität der Liga hat sich verbessert. Viele Standorte haben einen Schritt nach vorne gemacht, das sieht man in Giesen, die den Cup ausgerichtet haben. Und das sieht man auch in Herrsching, die den Weg nach München in den Audi Dome gegangen sind.

Volleys-Spieler Ruben Schott sagte, die Trophäe sei etwas Besonderes, weil keiner damit gerechnet habe, dass sein Team gewinnt. Bieten die neu Zusammenstellung des Teams und die damit einhergehenden niedrigen Erwartungshaltungen auch Chancen?
Das denke ich schon. Viele Experten sahen Friedrichshafen als großen Favoriten für den Cup und den weiteren Saisonverlauf. Das ist eine Rolle, mit der wir richtig gut leben können. Wir müssen nicht jedes Jahr als fertiger Meister in die Saison starten. Unsere neue Mannschaft muss sich erst finden, insofern ist es gut, nicht mit dem Druck des ewigen Favoriten loszulegen, sondern uns das Schritt für Schritt zu erarbeiten.

Wir müssen nicht jedes Jahr als fertiger Meister in die Saison starten.

Kaweh Niroomand

In dieser Saison treten neun Teams an, von denen sich acht automatisch für die Playoffs qualifizieren. Ist da noch Platz für Spannung?
Qualitativ gesehen ist es nicht unbedingt schlechter, mit weniger Teams zu spielen. Wir treten zweimal mehr gegen Friedrichshafen und Düren an, dadurch finden mehr spannende Spiele statt. Außerdem könnte die Platzierung für die abschließende Play-off-Runde von enorm großer Bedeutung sein, das hat man im vergangenen Jahr gesehen. Wenn das fünfte Spiel nicht in Berlin, sondern in Friedrichshafen stattgefunden hätte, weiß ich nicht, wer Meister geworden wäre.

Woran liegt es, dass Teams aus der Zweiten Liga nicht aufsteigen wollen?
In den vergangenen Jahren wurde es seitens der Liga versäumt, stärker in den Dialog mit diesen Mannschaften zu treten. Aber nur so können ihnen Hemmnisse, Ängste und Befürchtungen genommen werden. Es geht nicht nur darum, dass viele Vereine nicht die Auflagen aus dem Lizenzierungsverfahren erfüllen. Vielmehr spielen mangelnde Informationen, Mut und Wagnis eine Rolle.

Welche Teams kämen überhaupt in Frage?
Das sind vor allem Mannschaften, die in der Zweiten Liga gerade oben stehen. Zum Beispiel Freiburg und Karlsruhe. Man muss diesen Vereinen die Perspektive aufzeigen, dass es genauso spannend ist in der Ersten Liga zu spielen.

Die Liga hat kürzlich bekannt gegeben, dass in der nächsten Saison die Anzahl der Erstligisten auf zehn bis zwölf angehoben werden soll. Wie kann das gelingen?
Die Lizenzierungsauflagen müssen vereinfacht werden. Aktuell besteht allein das Lizenzierungsverfahren aus einem ganzen Aktenordner. Die Frage ist aber, ob bereits beim Einstieg alle Regularien eingehalten werden müssen. Grundsätzliche Anforderungen wie ein Spielfeld, auf dem man die Linien ordentlich erkennen kann, muss natürlich Standard sein. Aber beim Personal könnten Alternativen zugelassen werden. Da braucht es eine gewisse Kreativität.

Die United Volleys Frankfurt haben in dieser Saison keine Lizenzierung erhalten.
Die United Volleys Frankfurt haben in dieser Saison keine Lizenzierung erhalten.

© IMAGO/Kessler-Sportfotografie

Könnten die United Volleys Frankfurt, die in dieser Saison keine Lizenzierung erhalten haben, zurückkommen?
Nein, da sehe ich keine Zukunft und das ist ein herber Verlust. Sie waren eine starke Mannschaft und außerdem ist der Standort sehr gut. In der Metropole stecken viel Kapital, Sportbegeisterung und Volleyball-Tradition.

Es erscheint widersprüchlich, dass eine vergleichsweise kleine Stadt wie Herrsching oder Lüneburg keine Probleme bei der Lizenzierung hat, aber eine Metropole wie Frankfurt an der Finanzierung scheitert. Woran liegt das?
Kleine Orte haben oft Vorteile, das sieht man auch in anderen Sportarten. Das liegt daran, dass es wenige Alternativen gibt und sich alles auf einen Verein konzentriert. Deshalb muss jeder Verein ein individuelles Konzept finden, um den Volleyball an dem jeweiligen Ort populär zu machen.

Ich bin weiterhin überzeugt von der Attraktivität und Beliebtheit des Sports. Keine andere Hallensportart hatte in der vergangenen Saison so spannende Finalspiele in ausverkauften Hallen, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen.

Die Lizenzierungsauflagen müssen vereinfacht werden.

Kaweh Niroomand

Apropos Frauen, wie sieht es denn mit einem Volleys-Frauenteam aus?
Wir würden das sehr gerne machen. Diesen Wunsch haben auch viele Sponsoren geäußert. Allerdings liegt die Volleyball-Bundesliga der Frauen was die Zuschauerzahlen und das Budget angeht, im Durchschnitt noch vor dem Fußball. Man muss also sehr erfolgreich sein, wenn man jetzt ein Team gründet, gerade in Berlin. Anderenfalls kräht kein Hahn danach. Da reden wir von Summen in Höhe von anderthalb bis zwei Millionen Euro. Das traue ich mir neben den Männern nicht zu.

Zurück zu den Männern. Sie haben in den vergangenen Jahren kritisiert, dass es für die BR Volleys auf europäischer Ebene schwierig wird, wenn es auf Liga-Ebene an Konkurrenz mangelt. Wie sieht es dieses Jahr in der Champions League aus?
Im Grundsatz hat sich an dem Problem wenig geändert. Wenn man in einer Liga spielt, in der nicht durchgängig hochqualifizierte Spiele stattfinden, wird es schwer. Ich vergleiche das gern damit, dass man jeden Tag 90 Zentimeter springen soll und am Wochenende plötzlich 1,60 Meter schaffen muss. Deshalb ist die Zwischenrunde, die letztes Jahr eingeführt wurde, hilfreich. Dadurch haben wir mehr Spiele gegen die stärksten Mannschaften der Liga.

Es gab mal die Überlegung, in die polnische Liga zu wechseln. Was ist daraus geworden?
Das hängt davon ab, wie sich die deutsche Liga entwickelt. Wir wissen, dass wir eine riesige Lücke im Männer-Volleyball hinterlassen würden. Das macht es für uns schwer, eine Entscheidung zu treffen.

Ich war kürzlich in Polen und wurde von allen Seiten darauf angesprochen, warum wir nicht längst dort spielen, genauso wie die ukrainische Mannschaft. Das wäre eine totale Revolution für die gesamte Sportlandschaft, aber die Verantwortung für den deutschen Volleyball hält uns davon ab – zumindest momentan.

Im deutschen Volleyball fällt auf, dass kaum Nationalspieler in der Liga aktiv sind. Woran liegt das?
Zum einen ist es eine materielle Frage, da das Gehalt im Ausland besser ist. Außerdem wurde in den vergangenen Jahren vom Verband gepusht, dass Spieler ins Ausland gehen, sobald sie gut genug sind. Ich sehe darin auch ein Versagen des Verbandes, der es versäumt hat, systematisch an Nachwuchssportlern zu arbeiten. De facto gibt es zwischen der Nationalmannschaft und den Vereinen kaum Verbindungen. Die gemeinsame langfristige Entwicklung der Spieler ist dadurch nicht möglich.

Und Sie selbst wollen nicht im Verband tätig werden und daran etwas ändern?
Nein, auch wenn ich schon mehrfach darauf angesprochen wurde. Das ließe sich nicht damit vereinbaren, dass ich bei den Volleys bin und diese Position möchte ich auf keinen Fall aufgeben. Wenn man aber die gesamte Entwicklung des Verbandes anschaut, dann ist noch eine Menge zu tun - sei es im Beachvolleyball, bei den Nationalteams, in der Verbandsführung oder in der Nachwuchsarbeit.

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