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Das große Rätsel von Anspruch und Wirklichkeit: Hertha BSC hat Gesprächsbedarf
Nach dem Dämpfer gegen den SC Paderborn steht man bei Hertha BSC weiter vor Fragezeichen. Es macht sich mal wieder eine merkwürdige Berliner Symptomatik breit.
Stand:
Auch einen Tag später herrschte immer noch Ratlosigkeit bei Cristian Fiél. Nach kurzem Überlegen fand der Hertha-Trainer dann aber doch einen möglichen Grund für den ernüchternden Saisonstart gegen den SC Paderborn: „Ich glaube, der eine oder andere hat zu viel nachgedacht und sich zu viel Druck gemacht.“ Doch ist es nur Druck? Steckt da nicht tiefergehendes dahinter?
So oder so, das, was am Samstagnachmittag im Olympiastadion passierte, gibt weiterhin Rätsel auf. Den Fans, den Spielern selbst und augenscheinlich auch Fiél. Direkt nach dem Spiel sagte der neue Berliner Trainer: „Ich hatte in der letzten Trainingswoche das Gefühl, dass die Jungs brennen und loslegen wollen, doch davon haben wir wenig auf den Platz bekommen.“
Es ist ein Satz, der nicht das erste Mal aus dem Mund eines Hertha-Trainers kommt. Schon bei Fiéls Vorgängern Dardai, Labbadia, Schwarz & Co. war man gewöhnt, das, oder ähnliches in immer wiederkehrenden Abständen zu hören. Nun sind wieder einmal die Welten, die zwischen Anspruch und Wirklichkeit, und zwischen Trainingsleistungen und Pflichtspiel-Auftritt liegen, nicht zu erklären. Es ist ein bisschen so, als würde der Schenckendorffplatz – die Trainingsstätte der Herthaner – die gute Form magisch anziehen und das Olympiastadion sie wieder abstoßen.

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Und doch war – entgegen der zahlreichen Kommentare von Hertha-Fans, die nach 95 Minuten neuer Saison am liebsten direkt wieder eine Trainerdiskussion vom Zaun brechen wollten – nicht alles schlecht. Das, was den Fiél-Fußball ausmacht und was Hertha ausmachen soll, wurde in Ansätzen gezeigt.
Auf Paderborn wurde konstant Gegenpressing ausgeübt, die Blau-Weißen kontrollierten das Spiel die vollen 90 Minuten. Auch die neue Idee vom Spielaufbau fruchtete und zeigte die größte Diskrepanz zum Dardai-Fußball. Sah man unter dem Ungar meist einen uninspirierten Ballvortrag, kombinierten sich die Herthaner nun mitunter flüssig in die gegnerische Hälfte. Vieles war attraktiver als in der letzten Saison.
Hertha fehlt der Mut
Es blieb jedoch bei den wenigen Ansätzen. Vor allem, weil eine Sache fehlte: Mut. „Wir haben viel zu schüchtern gespielt“, befand auch Zugang Diego Demme, der sich sofort als Anker und Lenker im Berliner Mittelfeld präsentierte. Vor allem außen habe man sich oft freigespielt und dann doch abgebrochen und wieder nach hinten gespielt, urteilte der Routinier. Dabei ist Risikobereitschaft, das, was essenziell für den neuen Fußball ist, der bei der Hertha auf den Rasen gebracht werden soll.
Die Suche nach dem Mut und in bestem Falle nach der Lösung des Rätsels „Ernüchternder Saisonstart“, will der neue Trainer in Gesprächen mit seinen Spielern einholen. Noch vor der nächsten Aufgabe am Samstag beim Hamburger SV. „Sicherlich werde ich mit dem einen oder anderen sprechen, um den Druck zu nehmen“, kündigte Fiél an.
Es war eine große Ernüchterung, die aber keinesfalls Potenzial für Aktionismus hat. Eher war es eine Standortbestimmung, die zwar noch viele Schwächen und viel Arbeitsbedarf offenbarte, die aber im gleichen Zug – wenn auch seltener als öfter – zeigte, was Hertha vorhat. Und so steht erst einmal Geduld an der Tagesordnung. Auch wenn man sich in der zweiten Liga davon nicht viel leisten kann.
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