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Attacke. Im historischen Kuppelsaal auf dem Berliner Olympiagelände findet auch 2019 wieder das Finale um den Weißen Bären statt.

© Sebastian Wells/Imago

Degenfechter Hans Klotz: Wenn der Erfolg zur Nebensache wird

Der 60-Jährige ist einer der ältesten Teilnehmer beim 59. "Weißen Bär" in Berlin. Er sei talentfrei, sagen seine Konkurrenten - aber das ist Klotz egal.

Von David Joram

Hans Klotz spricht eher gediegen. "Ich habe mehr Zeit, die Stadt anzuschauen, als mir lieb ist", sagt der Schweizer Degenfechter mit ruhiger Stimme. Er nimmt die Sache schon etwas länger so wie sie eben ist: meist aussichtslos. Wenn am Samstag und Sonntag in Berlin die Kämpfe um den 59. Weißen Bären stattfinden, wird Klotz chancenlos sein. Wieder einmal. Der 60-Jährige gilt als größter Außenseiter des Traditionsturniers. "Talentfrei" sei er, sagt ein Berliner Konkurrent. "Und ein Verrückter". Er meint es nicht böse, eher anerkennend. Denn trotz seines fortgeschrittenen Alters und seiner geringen Chancen greift Hans Klotz, 1,85 Meter groß, stets wieder aufs Neue an, seit mehr als 30 Jahren schon.

"Ich hab's mal in die zweite Runde gebracht und einmal die Teilnahme für den zweiten Tag knapp verpasst", zählt Klotz seine größten Erfolge in Berlin auf und verschweigt nicht, dass es meist recht früh vorbei war - obwohl er "bis auf vier, fünf Mal" immer dabei war, rund 25 Mal also. Warum er sich die Strapazen noch antut, die vielen Niederlagen? "Ganz einfach", sagt Klotz: "Die Hoffnung stirbt zuletzt". Und so lange es eben geht, will er weiter machen.

Seine Stärken will er nicht verraten

Klotz, der in Adliswil bei Zürich wohnt, hängt sich noch rein für seine Leidenschaft, drei- bis viermal die Woche trainiert der Athlet des Zürcher FC mit dem Degen, "hinzu kommt das Ausdauertraining". Wahlweise sechs Kilometer Laufen ("die Distanz will ich wieder erhöhen") oder Radfahren ("ein bis vier Stunden"). Und Krafteinheiten stehen auch noch auf Klotz' Programm, "aber nicht mehr allzu heftig".

An 15 bis 20 Turnieren nimmt er pro Jahr noch teil, in dieser Saison schafft er, hauptberuflich bedingt, dieses Pensum nicht ganz. Für den Flug nach Berlin ließ ihn sein Arbeitgeber am Freitag früher gehen. "Früher bin ich mit dem Nachtzug angereist, kam morgens um 7 oder 8 Uhr an und habe mittags um 12 gekämpft", sagt Klotz, für den der Weiße Bär weiterhin fest gesetzt ist. "Jeder Fechter hat seinen Radius. Die großen Weltcupfechter reisen um die ganze Welt - die anderen denken in etwas kleineren Maßstäben". So wie er.

Hans Klotz, 60, tritt wieder an - trotz geringer Chancen.
Hans Klotz, 60, tritt wieder an - trotz geringer Chancen.

© promo

Das Turnier in Berlin sei speziell, findet Klotz. Warum genau, kann er gar nicht sagen. Jeder Weiße Bär sei ein bisschen anders. Klotz erinnert sich an eine Auflage in Marzahn ("das fiel ein bisschen aus der Rolle"), an Treffen mit Olympiasiegern wie seinem Landsmann Marcel Fischer und natürlich an den historischen Kuppelsaal auf dem Olympiagelände, der ein bisschen "beengt" sei. Sportlich reizen Klotz vor allem die Duelle mit den (weit) jüngeren Kollegen, die in den vergangenen Jahren häufig ganz oben standen. 2018 gewann mit Jakub Jurka ein 18-Jähriger den Weißen Bären, 2017 siegte Aymerick Gally (19 Jahre) und 2015 Frederik von der Osten (21). "Gegen die jungen Sportler zu kämpfen, ist eine große Herausforderung", erklärt Klotz, sie seien schneller auf den Beinen, "haben eine bessere Reaktionszeit". Da helfe wenig, nur "List, Taktik und Erfahrung".

Zumindest an Erfahrung mangelt es Hans Klotz nicht. Seinen Kampfstil kann der Rechtshänder auch mal an den seines Gegners anpassen, "auch wenn das nicht immer gelingt." Gelegentlich sei er zu aggressiv, zu ungestüm, vor allem zu Beginn des Duells, nennt Klotz ein paar eigene Schwächen. Er sei eben eher ein Offensivfechter - und will dann auch nicht mehr verraten. "Es gehört zu meiner Taktik, dass ich meine Stärken dem Gegner nicht in der Zeitung verrate", sagt Klotz, der in den 1990er Jahren seine größten Erfolge feierte. In Kopenhagen landete er bei einem Weltcup-Turnier mal unter den Top acht, in der Türkei ("ich glaube das war in Istanbul") gelang ihm dasselbe.

Lang ist's her. Am Samstag im Horst-Korber-Zentrum, wo die Vorrundenkämpfe stattfinden, zählt für den Nimmermüden vor allem das olympische Motto. Dabei sein ist alles - und Hans Klotz war schon oft dabei.

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