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Sport: Dem Misstrauen nicht entkommen

Ben Johnson ist als Berater von jungen Sprintern zurück im Sport – über Doping will er lieber nicht reden

Der Start war miserabel, und Brandt Fralick ist nicht der Mann, der über 60 Meter gegen gute Leute einen Rückstand aufholt. Er wurde Letzter in seinem Vorlauf mit 7,21 Sekunden, er war ein Fall für die Statistik, rein sportlich gesehen.

Aber jetzt steht Fralick in den Katakomben der „Arena Leipzig“, Minuten nach seinem Auftritt beim internationalen Leichtathletik-Hallen-Meeting. Fünf Journalisten gruppieren sich um ihn, der Vorlauf-Sieger läuft unbeachtet vorbei. Doch eigentlich geht es gar nicht um Brandt Fralick aus Kelowna, Kanada, 19 Jahre alter Sprinter mit einer 100-Meter-Bestzeit von 10,87 Sekunden. Es geht um seinen Berater. Aber der ist nicht da. „Wo ist Ben Johnson?“

Fralick lächelt. „Er ist irgendwo, er will hier nicht so auffallen.“ Ben Johnson gilt immer noch als spektakulärster Dopingsünder der Leichtathletik, aufgeflogen nach seinem 100-Meter-Olympiasieg von 1988. Jetzt hat der auf Jamaika geborene Kanadier ein Buch geschrieben, über die Zeit damals. Das will er promoten, und dazu muss er wieder auftauchen. „Man sollte ihm die Chance geben, wieder auf die Bühne zu kommen, man sollte ihn positiv sehen“, sagt Fralick. Aber viele betrachten Johnson mit Misstrauen. Der Moderator in Leipzig ignoriert ihn einfach.

Johnson sitzt auf der Tribüne, er hat einen Bauchansatz und muss lachen bei der Frage, ob er sich in Deutschland willkommen fühlt. „Ich bin hier überall willkommen“, sagt er. Das hätte der Gesprächseinstieg ins Thema Doping sein können, aber Johnson will nicht darüber reden. „Mir sind die Meinungen der anderen egal.“

Fralick erzählt, dass Johnson im Hotel in Leipzig sofort um Autogramme gebeten wurde. Oder die Leute wollten Fotos mit ihm. Aber zu Hause, in Kanada, „da haben viele Leute Probleme damit, dass Ben und ich zusammenarbeiten“. Er habe schon erlebt, dass Johnson im Restaurant übel beschimpft wurde, wenn sie zusammen essen gingen. Dabei ist Johnson eigentlich nur sein Berater. Sie sehen sich bloß viermal im Jahr – dann fliegt Fralick nach Toronto zu Johnson, und der gibt Tipps für Technik und Psyche. Tim Bates, der 41 Jahre alte Trainer von Fralick, hat 2005 den Kontakt vermittelt – er hatte vor 20 Jahren mit Johnson trainiert. Seit Johnson mitmischt, habe sich Fralick vor allem mental verbessert, sagt Bates.

So redet Fralick auch. „Ich will 10,00 Sekunden laufen“, sagt er. Mit einem Ben Johnson als Berater hört sich das eher seltsam an, denn bei so einer Zeit würden sofort Dopinggerüchte auftauchen. Fralick wirkt denn auch so, als hätte er seine Rolle in dieser Partnerschaft noch nicht wirklich gefunden. Er verteidigt Johnson zwar („Er hat einen Fehler gemacht, aber das ist 20 Jahre her“), aber dann sagt er: „Ich habe Angst, dass das Ganze negativ für mich ausgeht.“ Nachdem er zum ersten Mal von Reportern auf dir Zusammenarbeit angesprochen worden war, ging er zu seinem Berater und fragte: „Wie stehst du jetzt zu Dopingmitteln?“– „Nimm nie welche“, habe Johnson gesagt. „Sieh doch, für die Leute ist das noch nach 20 Jahren ein Thema.“

Falsch. Johnson ist das Thema, er hat sich öffentlich nie klar gegen Doping ausgesprochen. Deshalb auch das Misstrauen. Johnson betreut noch zwei Jugendliche und eine 19 Jahre alte 400-Meter-Läuferin, nur blieb das weitgehend unbeachtet. Eher noch fiel er in Kanada als Schöpfer einer Modekollektion auf.

Erst mit Fralick ist er wieder für die Öffentlichkeit im Sport aufgetaucht. Sein Schützling ist nach einem Autounfall erst noch in der Aufbauphase. Durch den Unfall hat er mehrere Angebote für Stipendien an Universitäten verloren; er wollte sich für Biochemie einschreiben. Johnson will ihm jetzt zu einem Stipendium verhelfen. Nur aufs Niveau von 10,00 Sekunden wird er ihn nicht heben können, jedenfalls nicht ohne Doping. „Ich traue ihm eine Bestzeit von 10,4 Sekunden zu“, sagt Johnson.

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