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Sheraldo Becker haderte in Bielefeld mehrfach. Es läuft einfach nicht für ihn und die Union-Offensive.

© dpa

Der 1. FC Union trifft das Tor nicht mehr: Mit Max Kruse hat das alles „nichts zu tun“

Der 1. FC Union befindet sich in einer kleinen Ergebniskrise. Bei der Suche nach Gründen, reagiert die Mannschaft beim Namen Kruse fast schon allergisch.

Auf der rechten Außenbahn hatte Sheraldo Becker schon wieder einen Sprint hingelegt, konnte den Ball kurz vor der Torauslinie aber nicht unter Kontrolle bringen. Sein Momentum trug ihn bis zur Werbebande, wo er für einige Sekunden auch hängen blieb – mit dem Kopf nur einige Zentimeter vom Boden und den Füßen hilflos in der Luft. Das perfekte Sinnbild für einen verkorksten Samstagnachmittag für den 1. FC Union.

Nach dem 0:1 bei Arminia Bielefeld konnte Becker, genauso wie fast alle seine Teamkollegen, seinen Frust kaum verbergen. „Das war heute sehr schwierig. Wenn du so viele Chancen kreierst und nicht triffst, dann wird es hart, und genauso war es heute wieder“, sagte er. Schon in den beiden Spielen zuvor war Union wegen mangelnder Chancenverwertung mit leeren Händen vom Platz gegangen, und am Sonnabend in Bielefeld war es nicht anders. Der Februar bleibt miserabel, der Schatten des Max-Kruse-Transfers lang.

Mit Kruse habe die aktuellen Probleme vor dem Tor „nichts zu tun“, betonte Becker, und auch sein Teamkollege Grischa Prömel zeigte sich vom Thema etwas genervt. „Wir haben jetzt drei Wochen nur über Max Kruse gesprochen. Wir haben das Thema abgehakt“, sagte er.

Wie die spöttischen Gesänge der Bielefelder Fans aber noch einmal zeigten, lässt sich das Thema nicht so einfach vergessen. So billig es auch sein mag, eine ganze Mannschaft auf einen Spieler zu reduzieren: Die Ergebnisse im Februar erzählen eine ganz klare Geschichte. Seit Kruses Abgang nach Wolfsburg hat Union drei Spiele bestritten und alle verloren, ohne ein einziges Tor zu schießen. In der Tabelle ist die Mannschaft dadurch vom vierten auf den neunten Platz abgerutscht.

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Beunruhigt sei er noch nicht, sagte Trainer Urs Fischer, und sprach wieder vom Saisonziel Klassenerhalt, das immer noch nur zwei oder drei Siege entfernt sei. Fast wirkte es so, als ob Fischer die Europapokal-Träumerei der vergangenen Monate auch gar nicht so sehr vermisst. Euphorie war ja nie sein Ding, und völlig unerwartet erwischt diese kleine Formkrise die sportliche Führung schließlich nicht: Schon im Dezember wies Manager Oliver Ruhnert warnend darauf hin, dass es auch mal schlechter laufen kann.

Trotzdem gab es am Samstag einen Hauch von Ratlosigkeit über die fehlende Effizienz vor dem Tor. „Das macht keiner mit Absicht“, sagte Sven Michel über die verpassten Möglichkeiten, während Andreas Voglsammer vergebens nach einem Grund dafür suchte. „Es ist schwer zu beurteilen, woran es liegt.“

Kruse allein kann es schließlich nicht sein. Natürlich mangelt es Union ohne seine Genialität und Unberechenbarkeit an einer gewissen Dynamik in der Offensive. Gegen Bielefeld hat man auch seine manchmal unterschätzten Fähigkeiten als Motivator und Kommunikator auf dem Feld vermisst. Aber schon in der vergangenen Saison hat Fischers Mannschaft gezeigt, dass sie auch ohne Kruse funktionieren kann. Während seiner langen Verletzungspause gab es unter anderem Siege gegen Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen.

Dass Union das Tor nicht trifft, ist für Trainer Fischer Kopfsache

Jenseits der blanken Ergebnisse sind die Zahlen auch etwas aufmunternder. Immerhin kam Union in den letzten drei Spielen auf insgesamt 35 Torschüsse. Laut der Expected-Goals-Statistik der Bundesliga hätte Union in jedem dieser Spiele mindestens ein Tor schießen müssen. Das Problem ist nur, dass sie es nicht tun.

Für Fischer ist das Kopfsache. Die Chancenverwertung könne er nicht auf Knopfdruck verbessern, sagte er am Samstag nach dem Spiel: „Es braucht viele Dinge: Überzeugung, Automatismen, eine gewisse Coolness und eine gewisse Leichtigkeit. Die haben wir im Moment nicht. Wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht allzu viel darüber sprechen. Wir müssen schauen, dass es wieder aus den Köpfen kommt.“

Vor allem Becker und Taiwo Awoniyi wirkten zuletzt manchmal etwas hektisch, wenn sie sich in guten Situationen befanden. Andere wie Anthony Ujah oder Sven Michel bringen sich oft in Stellung, verfehlen dann im Abschluss aber um nur einige Zentimeter das Tor. Und wie Voglsammer am Samstag erklärte, ist es in solchen Fällen vielleicht auch nur eine Frage von fehlendem Fortune. „Das Spielglück ist nicht so auf unserer Seite“, sagte er. „Das Glück muss man sich wieder erarbeiten.“

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