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Der Profi. Robert Mohr (vorn) spielte in Frankreich mit seinem Klub Atlantique Stade Rochelais vor 70 000 Fans. Foto: AFP

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Sport: Der Koloss vom kleinen Felsen

Robert Mohr soll die deutschen Rugby-Spieler am Samstag in Berlin zum Sieg gegen die Ukraine führen.

Berlin - Im Hintergrund laufen die Maschinen, es ist laut. „Einen Moment, ich habe gleich Mittagspause“, sagt Robert Mohr. „Versuchen Sie es dann nochmal.“ Zehn Minuten später hat sich die Geräuschkulisse verändert. Es ist still, Mohr hat nun Zeit zum Telefonieren. Seine weiche Stimme lässt nicht auf einen Koloss von 1,92 Metern und 111 Kilogramm schließen. Mit dieser Statur ist er unter den Mitarbeitern eines Getränkeautomatenherstellers im französischen La Rochelle ein Exot, wenn auch ein Berühmter.

Bis vor wenigen Monaten spielte Robert Mohr noch als Profi beim Rugby-Klub Atlantique Stade Rochelais. Neun Jahre lang war er dort Kapitän, spielte in der ersten und zweiten Liga. In der Stadt an der Atlantikküste, die übersetzt „Kleiner Felsen“ heißt, kennen ihn die meisten der rund 70 000 Einwohner. Rugby ist in Frankreich sehr populär, zu den Ligaspielen kommen regelmäßig zwischen 20 000 und 70 000 Zuschauer.

In Deutschland bleibt Mohr dagegen meistens unerkannt. Daran wird sich auch am Sonnabend wenig ändern. Dann spielt der gebürtige Hannoveraner im Rahmen der Europameisterschaft mit dem deutschen Nationalteam in Berlin gegen die Ukraine (14.30 Uhr, Stadion Buolstraße).

Der Name Europameisterschaft ist irreführend, um eine EM wie beim Fußball oder Handball handelt es sich nicht. Der Modus ist eher der einer Liga mit verschiedenen Stärkeklassen. Es geht um Auf- und Abstieg, ein Europameister wird am Ende nicht gekürt. Den machen die sechs großen Rugbynationen England, Frankreich, Schottland, Wales, Irland und Italien beim Sechs-Nationen-Turnier unter sich aus. Deutschland spielt derzeit in der Divison 1B, der dritten Liga sozusagen. Gegner dort sind die Ukraine, Moldawien, Schweden und Polen. Nur der Gruppensieger steigt in die erste Division auf.

In der Division 1B spielen fast ausschließlich Amateure. Mohr wird auf deutscher Seite der einzige Profi sein. Oder genauer gesagt: der einzige, der Profi war. Inzwischen spielt er nämlich nur noch in der dritten französischen Liga bei Stade Niortais. Im Alter von 34 Jahren will er sich ganz auf seinen Beruf als Controller konzentrieren. „Ich habe im Rugby alles erlebt“, sagt Mohr. „Wenn ich jetzt noch spiele, will ich mich amüsieren.“

Deshalb jetzt auch wieder Nationalmannschaft. Dort freut man sich auf den Angreifer: „Robert bringt eine Menge Erfahrung und Rugby-Intelligenz mit, das wird uns helfen“, sagt Bundestrainer Torsten Schippe. Während Mohrs Zeit bei Atlantique Stade Rochelais blieb für das Nationalteam meist keine Zeit. Rugbyspieler sind in Frankreich Vollzeit-Profis. „Meist waren wir von 8.30 bis 17 Uhr auf der Anlage“, sagt Mohr. „Es gab drei bis vier Trainingseinheiten, zwischendurch haben wir zusammen gegessen oder es wurden Videoanalysen betrieben.“

Nach dem Abitur kam er nach Frankreich, ein Freund fragte ihn, ob er für ein halbes Jahr in der Jugendmannschaft von CS Bourgoin spielen möchte. Er willigte ein und erhielt am Ende einen Profivertrag. Später ging es nach La Rochelle.

Robert Mohr wäre nach seiner aktiven Karriere gern wieder nach Deutschland zurückgekehrt. „Aber mit 34 hat man es dort als Berufseinsteiger schwer.“ Seinen neuen Job hat er der Zeit als Rugbyspieler zu verdanken. Die Getränkeautomatenfirma gehört dem Präsidenten von Atlantique Stade Rochelais. Sebastian Stier

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