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Sport: Der kühne Realist

Wenn es so weitergeht, wird die Geschichte der deutschen Fußball-Nationalmannschaft wohl schon bald in großen Teilen umgeschrieben werden müssen. Das betrifft vor allem die Ära Jürgen Klinsmann (2004 ff.

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Wenn es so weitergeht, wird die Geschichte der deutschen Fußball-Nationalmannschaft wohl schon bald in großen Teilen umgeschrieben werden müssen. Das betrifft vor allem die Ära Jürgen Klinsmann (2004 ff.), der als kühner Visionär in die Annalen eingegangen ist, während sein Assistent Joachim Löw der Öffentlichkeit immer als der Realpolitiker galt, der Klinsmanns kühne Ideen für den Praxisgebrauch zuschneiden musste. Inzwischen deutet einiges darauf hin, dass eigentlich Löw der Wildere von beiden ist. Mit der Nominierung von Patrick Helmes jedenfalls hat der Bundestrainer seinen früheren Kompagnon Klinsmann an Kühnheit noch übertroffen.

Im normalen Leben stürmt Helmes für den 1. FC Köln, jenen ruhmreichen Klub mit den großen Ambitionen, der gerade in einer tristen Gegenwart gefangen ist. Man könnte auch sagen: Patrick Helmes ist nur Zweitligaspieler. Seine Nominierung sagt einiges über das anstehende Länderspiel gegen Dänemark. Früher hätte man ein solches Spiel angesichts der Besetzungsliste B-Länderspiel genannt. Noch mehr aber sagt sie über Joachim Löw und seine Arbeit: Der Bundestrainer betreibt die permanente Revolution. Wenn am Mittwoch alle nominierten Neulinge zum Einsatz kommen, wird Löw bereits in sieben Monaten mehr Debütanten eingesetzt haben als Klinsmann in zwei Jahren.

Dieser exzessiven Ausweitung des Kandidatenkreises steht Löws Fixierung auf einen festen Stamm entgegen, der sich seit der Weltmeisterschaft, dem kollektiven Erweckungserlebnis für das moderne Fußball-Deutschland, nicht verändert hat. In Prag standen bis auf Marcell Jansen und Kevin Kuranyi ausschließlich Spieler auf dem Feld, die schon bei der WM Stammspieler waren. Eine Abkehr von seinem Stammspieler-Prinzip erlaubt sich Löw nur bei eher unwichtigen Testspielen.

In den Kader der Nationalmannschaft schaffen es inzwischen sogar Spieler aus der Zweiten Liga. Richtiger Nationalspieler zu werden aber ist im Moment so schwierig wie lange nicht.

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