zum Hauptinhalt
Nate Koch ist der Publikumsliebling im Berliner Velodrom.

© Imago

Sechstagerennen im Berliner Velodrom: Der sagenhafte Verlierer Nate Koch

Bahnradfahrer Nate Koch fährt bei den Sixdays in Berlin meist hinterher - doch beim Publikum ist der US-Amerikaner überaus beliebt.

Am Wochenende hat Nate Koch die ihm zugetragene Rolle mit vollem Tempo umgefahren: die des gnadenlos unterlegenen Verlierers, den das Publikum eben wegen seiner Unterlegenheit liebt. Koch gewann am Sonntag beim Berliner Sechstagerennen den Keirin-Sprint. Allerdings ist der Keirin-Sprint nicht gerade die Königsdisziplin bei der Veranstaltung im Berliner Velodrom. Und ein bisschen schwang der Verdacht mit, als hätten ihm seine Mitstreiter auf der Bahn ganz gerne dabei zugesehen, wie er seinen ersten Sieg bei den Sixdays einfährt. Der Verdacht mag im Spitzensport, der ja auch das Sechstagerennen ist, schräg klingen. Im Falle von Nate Koch verhält es sich allerdings so, dass er selbst von den Rivalen derart geschätzt wird, dass sie ihm zuliebe schon einmal etwas weniger druckvoll in die Pedale steigen.

Das Publikum fühlte sich dann auch nicht vor den Kopf gestoßen. Im Gegenteil, es war laut wie selten in dem ohnehin mächtigen Grundrauschen bei diesen Sixdays. „Was für ein unglaubliches Gefühl“, sagte Koch.

Der Kalifornier nimmt erst zum zweiten Mal am Berliner Sechstagerennen teil. Im vergangenen Jahr sprang er für den verletzten Robert Förstemann ein. Und eigentlich hätte er, blickten die Veranstalter nur auf die Leistung, dieses Jahr nicht unbedingt dabei sein dürfen. Doch schon 2015 dauerte es nur wenige Runden, bis das Berliner Publikum und Koch eins wurden. Das hat viel damit zu tun, dass Koch das amerikanische Klischee vom Unterhaltungskünstler bestens erfüllt – und es kaum geeignetere Bühnen für die große Show im Berliner Sport gibt als das Velodrom während des Sechstagerennens.

Bevor es in die entscheidenden 250 Meter im Rundenrekordzeitfahren geht, wirbelt Koch stets wie verrückt mit beiden Händen in das Rund der Arena und animiert die Zuschauer, ihn zu unterstützen. In der Regel knapp 14 Sekunden später reißt Koch dann die Arme nach oben und jubelt. Er ist mal wieder Letzter. Und das ist genau der Gag, den man aus dem Sport schon von sagenhaften Verlierern wie zum Beispiel dem Skispringer Michael Edwards alias „Eddie the Eagle“ kennt: Nicht nur groß sein in der Niederlage, sondern sie richtig abfeiern.

Nur tut man dem 29-Jährigen etwas unrecht, ihn mit Publikumsbespaßern wie dem lustigen Eddie zu vergleichen. Immerhin ist er im Nationalkader der US-amerikanischen Bahnradfahrer. Ein Exot ist Koch allemal. 15 Jahre lang war er in der Leichtathletik leistungssportlich aktiv. Seine Karriere als Zehnkämpfer aber war geprägt von vielen Verletzungen. Zu Reha-Zwecken setzte er sich viel aufs Fahrrad. Irgendwann merkte er, dass die Reha für ihn keine Qual war; sie machte ihm Spaß, weil er so gerne radelte. Mit 23 Jahren wagte er dann den Wechsel von der Leichtathletik in den Bahnradsport. Bereut hat er den Schritt nie. Schon gar nicht, wenn er bei den Sixdays in Berlin mitfährt. „So fühlt es sich an, ein Rockstar zu sein. Es ist verrückt“, sagte er nach einem Sprint-Wettbewerb unter ohrenbetäubendem Lärm der Zuschauer. Er trug unter seinem Trikot ein T-Shirt mit der Aufschrift „I love Berlin!“ Die Zuneigung beruht ganz klar auf Gegenseitigkeit.

Folgen Sie der Tagesspiegel-Sportredaktion auf Twitter:

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false