zum Hauptinhalt
Augen zu und durch. Marco Reus (links) und die deutsche Nationalmannschaft mussten gegen die Nordiren eine Menge Arbeit verrichten.

© Reuters

Update

2:0-Erfolg gegen Nordirland: Deutsche Nationalmannschaft siegt mit Mühe

Drei Tage nach der herben Niederlage gegen Holland gewinnt die Fußball-Nationalelf in der EM-Qualifikation bei Nordirland. Richtig rund lief es noch nicht

Es dauerte exakt eine Halbzeit, bis die Verunsicherung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft auch die letzte Linie erreicht hatte. Von der rechten nordirischen Angriffsseite kam eine flache Hereingabe in den deutschen Fünfmeterraum, Torhüter Manuel Neuer packte beherzt zu – und ließ den Ball aus den Fingern gleiten. Nordirlands Mittelstürmer Conor war allerdings so überrascht, dass er keinen zwingenden Torschuss zustande brachte und der gerade eingewechselte Jonathan Tah den Ball noch vor der Linie klären konnte.

Die deutsche Mannschaft wirkte nicht nur in dieser Szene ein wenig desorientiert. Nach der Pause aber bekam sie ihre flatternden Nerven besser in den Griff. Dank einer deutlichen Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit setzte sie sich mit 2:0 (0:0) gegen Nordirland durch und übernahm damit in der Gruppe C der EM-Qualifikation die Tabellenführung. "Wir mussten ein paar Schwierigkeiten überwinden", sagte Bundestrainer Joachim Löw.

Nach der deprimierenden Niederlage gegen die Holländer vom vergangenen Freitag hatte Löw seine Mannschaft auf zwei Positionen verändert. Marcel Halstenberg ersetzte den verletzten Nico Schulz auf der linken Seite. Für Innenverteidiger Tah rückte Julian Brandt in die Startelf, weil Löw gegen die Nordiren mit Vierer- statt mit Dreierkette verteidigen ließ. Wichtiger noch aber als die Aufstellung war für Löw die Einstellung seines Teams. „Heute ist wichtig, dass wir die Zweikämpfe so gestalten, dass wir als Sieger vom Platz gehen“, sagte der Bundestrainer vor dem Anpfiff.

Mentalität, Leidenschaft, Willen – all das war von Beginn an zu sehen, allerdings nur von den Nordiren, die von ihrem Publikum enthusiastisch nach vorn getrieben wurden. Die Heimmannschaft begann überraschend offensiv, rückte weit auf, attackierte früh und ließ die Deutschen zunächst nicht ins Spiel kommen. Die Nordiren hatten auch die erste gute Möglichkeit. Nach sieben Minuten setzten sie Toni Kroos an der Seitenlinie so sehr unter Druck, dass Deutschlands Routinier den Ball in die Mitte und genau in den Lauf von Conor Washington passte. Der Stürmer von Heart of Midlothian scheiterte aber an Torhüter Neuer, der sich breit und groß machte.

Die Deutschen kämpften mit ihren Nerven

Das Team von Bundestrainer brauchte eine ganze Zeit, bis es etwas besser ins Spiel fand. Richtig gut aber wurde es erst einmal nicht – als hätte die Niederlage gegen die Niederlandr das Nervenkostüm der Mannschaft allzu sehr durcheinander gerüttelt. Vor allem im letzten Drittel fehlte es immer wieder an der nötigen Präzision. So dauerte es fast eine halbe Stunde bis zum ersten gefährlichen Abschluss. Nach dem Schuss von Timo Werner prallte der Ball einem nordirischen Verteidiger an die Hand – doch Schiedsrichter Daniele Orsato, der das Spiel ohnehin sehr großzügig leitete, griff nicht ein. Nach der folgenden Ecke kam Innenverteidiger Niklas Süle zum Abschluss; seinem Versuch fehlte allerdings die nötige Wucht.

Bundestrainer Joachim Löw verfolgte das Geschehen mit starrer Miene. Den Auftritt seiner Mannschaft hatte er sich anders vorgestellt. Immerhin kamen die Deutschen in der Nachspielzeit der ersten Hälfte noch zu einer richtig guten Chance. Nach einer Hereingabe seines Leipziger Teamkollegen Lukas Klostermann scheiterte Timo Werner aus kurzer Distanz an Torhüter Bailey Peacock-Farrell.

Was unmittelbar vor der Pause noch nicht funktioniert hatte, klappte dann unmittelbar danach. Julian Brandt verlängerte eine Flanke von Klostermann mit dem Kopf, Marcel Halstenberg nahm den Ball mit seinem starken linken Fuß aus der Luft und vollendete zum 1:0. Löw reagierte mit minimalistischer Mimik, als wäre er noch nicht bereit, den schwachen Auftritt in der ersten Hälfte so einfach zu vergessen. "Wir sind in einer Phase des Lernens", sagte er. Immerhin arbeitete seine Mannschaft nun mit Verve daran, ihren Trainer zufriedenzustellen. Die Deutschen erhöhten das Tempo, zeigten, dass sie sehr wohl den Ball laufen lassen und flüssig kombinieren können.

Nach der Pause zogen die Deutschen das Tempo an

Die Nordiren waren mit der Geschwindigkeit ihres Gegners nun deutlich überfordert. So ergaben sich für die Deutschen weitere Chancen. Serge Gnabry verfehlte nach einem Doppelpass mit Brandt nur knapp das Tor, beim Schuss von Timo Werner lenkte Peacock-Farrell den Ball noch um den Pfosten. Sieben Torschüsse hatten die Deutschen in der kompletten ersten Hälfte abgegeben; in den ersten zehn Minuten der zweiten Halbzeit waren es gleich acht.

Der einzige Makel in dieser Phase war, dass die Gäste ihre teils sehr guten Chancen nicht konsequent nutzten. Ihre Führung blieb knapp, und Nordirland wirkte keineswegs demoralisiert. Nach einer guten Stunde hatten die Deutschen Glück, als ein Schuss von Steward Dallas nur knapp das Tor von Manuel Neuer verfehlte. Löw reagierte kurz darauf, brachte Kai Havertz für Werner, und der Leverkusener war gerade erst auf dem Platz, als er sich im Kopfball gegen seinen Gegenspieler durchsetzte. Der Ball strich denkbar knapp am Tor der Nordiren vorbei. In der Nachspielzeit klappte es besser: Havertz spielte Gnabry frei, der Nordirlands Torhüter aus spitzem Winkel zum 2:0-Endstand überwand. Es war ein schmuckloser und trotzdem ein wichtiger Sieg für das Team von Joachim Löw. (Tsp)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false