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Deutsche Skispringer bei der Vierschanzentournee: Zwei Kämpfer und die Chance ihres Lebens
Während die Favoriten früherer Jahre nach ihrer Form suchen, präsentierten sich Felix Hoffmann und Philipp Raimund vor dem Saisonhöhepunkt überragend. Reicht das für den ersten deutschen Triumph seit 2002?
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Wenn am 29. Dezember die Vierschanzentournee in Oberstdorf in ihre 74. Ausgabe startet, gehen die deutschen Skispringer diesmal nicht als die großen Favoriten in den Wettbewerb. Im vergangenen Jahr reiste Pius Paschke mit dem Gelben Trikot ins Allgäu, 2021 führte Karl Geiger den Gesamt-Weltcup vor dem Saisonhöhepunkt an. In beiden Fällen endeten die vier Wettkämpfe allerdings mit den Plätzen sechs beziehungsweise vier – und entsprechend großer Enttäuschung.
Insofern passt es ausgezeichnet, dass es mit dem Slowenen Domen Prevc bislang einen anderen Überflieger in diesem Winter gibt, gefolgt von seinen ebenfalls äußerst starken Herausforderern Ryōyū Kobayashi aus Japan und Prevc’ Landsmann Anze Lanisek.
„Ich würde es nehmen, wenn am Anfang der Saison wenig hinhaut und wir dann einen Tourneesieger haben“, hatte Sven Hannawald, der die Vierschanzentournee als bis dato letzter Deutscher 2002 gewinnen konnte, vor dem Saisonstart dem Tagesspiegel gesagt. „Aber du brauchst auf dem Weg in Richtung der Tournee schon die Gewissheit, dass du Dinge richtig machst.“
Felix Hoffmann mit einer „Wahnsinnsform“
Bei Felix Hoffmann und Philipp Raimund trifft Letzteres genau zu. Beim Weltcup in Engelberg am Wochenende des vierten Advents, der als eine Art Generalprobe gilt, sprang Hoffmann auf die Plätze zwei und drei; Raimund wurde zweimal Vierter. Bis auf kleine Patzer springen beide den ganzen Winter sehr stabil, ganz anders als etwa Geiger oder Andreas Wellinger, die den letzten Weltcup ausgelassen haben, um an ihrem Sprunggefühl zu feilen.
Martin Schmitt, der beim Deutschen Skiverband als Talentscout im Trainerstab arbeitet, sagte als Eurosport-Experte bei einer Medienrunde: „Bei Karl und Andi läuft es aktuell nicht, aber es spricht für das Team, dass es immer wieder neue Springer aufs Podest bringt.“
Wie kompliziert es im Skispringen ist, über einen langen Zeitraum dauerhaft weit zu springen, zeigt sich zurzeit auch beim österreichischen Team. Daniel Tschofenig, Jan Hörl und Stefan Kraft waren bei der vergangenen Tournee eine Klasse für sich. Aktuell suchen alle – aus unterschiedlichen Gründen – ihr Fluggefühl.
Raimund und Hoffmann haben das schon im Sommer gefunden. Und seitdem auch nicht mehr verloren. „Ich habe eine gewisse Konstanz gespürt, als ich beim Grand Prix in Klingenthal den Gesamtweltcup im Sommer gewonnen habe“, sagte Raimund im Interview mit dem Tagesspiegel. „Die Erkenntnis, dass die Sprünge den ganzen Sommer über auf Topniveau waren, hat richtig gutgetan. Auch wenn im Sommer immer ein paar Athleten fehlen, wusste ich, dass ich vorn mit dabei bin.“
Auch bei Hoffmann deutete sich das früh an. Ende Oktober kürte er sich zum Deutschen Meister. Eine Wahnsinnsform attestiert Martin Schmitt dem 28-Jährigen, der einen langen Anlauf nehmen musste, um auf der Schanze sein Können umzusetzen.
„Das sind keine neuen Gesichter. Es sind zwei Kämpfer, die sich wirklich durchgebissen haben“, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher nach den Wettkämpfen in Engelberg über sein Spitzenduo. „Sie sind hochtalentierte Sportler, die ihre Chance genutzt haben, ganz nach vorne zu gehen.“
Bei der Vierschanzentournee wird es darum gehen, mit dem Druck klarzukommen. Wenn die Fußball-Bundesliga pausiert und auch sonst keine sportlichen Großevents anstehen, steht das Skispringen rund um den Jahreswechsel wie sonst nie im Fokus. An den Schanzen steppt ohnehin immer der Bär.
„Olympiasieger ist weltweit eine Auszeichnung, damit können auch Menschen in Südamerika und Asien etwas anfangen“, sagt Schmitt. „Aber bei den Skispringern hat die Vierschanzentournee einen extrem hohen Stellenwert.“ Entsprechend groß sind auch die Erwartungen hierzulande, nach 24 Jahren mal wieder einen Sieger zu stellen.
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