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Die NFL hat einen Deal mit Berlin abgeschlossen.

© David J. Phillip/AP/dpa

Deutschland und die Football-Begeisterung: Alles nur Show?

Mit dem Super Bowl steuert die NFL auf ihren Saisonhöhepunkt zu. Längst spielt auch der deutsche Markt in den Planungen der Football-Liga eine wichtige Rolle. Doch ist der Hype in Deutschland wirklich real?

Jörg Leopold
Ein Essay von Jörg Leopold

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Die NFL ist begeistert von Deutschland und präsentiert Zahlen, die zunächst einmal verblüffen. Angeblich gibt es hierzulande 19 Millionen Menschen, die sich für American Football interessieren und fast vier Millionen, die die umsatzstärkste Sportliga der Welt aufmerksam verfolgen. „Wir sind der Wachstumsmarkt Nummer eins“, sagt Alexander Steinforth, der deutsche Chef der NFL, stolz.

In der Nacht auf Montag, wenn im Super Bowl zwischen den Kansas City Chiefs und den Philadelphia Eagles der NFL-Meister ermittelt wird, gibt es allerorten Football-Partys. Es ist der Höhepunkt der Saison, der Festtag für alle Fans und solche, die einfach dabei sein wollen, wenn das größte Einzelsportereignis der Welt nicht nur mit einem großen Spiel, sondern auch einer gewaltigen Show lockt.

Wo Licht ist, ist aber immer auch Schatten. Es soll Menschen geben, die mit Football überhaupt nichts anfangen können, die nicht verstehen, warum im Hauptprogramm von RTL an einem Sonntagabend Sport aus den USA über Stunden gesendet wird. Zur Wahrheit gehört dabei sicher: Wäre es Fußball, würde auch das nicht allen gefallen.

Die NFL hat ihr Produkt in den vergangenen Jahren maximal kommerzialisiert, Deutschland ist dabei nur ein weiterer Markt. Es geht der Liga in erster Linie um Geld, die Vereinigten Staaten allein sind ihr dabei längst zu klein geworden. Die NFL ist reich, sie ist daheim so populär, dass sie eine Expansion ins Ausland gar nicht nötig hätte. Aber wer viel hat, will eben immer noch mehr.

33,5
Millionen Euro hat Münchens Tourismusbranche durch das NFL-Spiel 2024 umgesetzt

Inzwischen finden in Deutschland seit einigen Jahren regelmäßig Saisonspiele statt, 2025 kommt auch Berlin in den Genuss einer solchen Veranstaltung. Glaubt man den Befürwortern, lohnt sich die Austragung für alle Beteiligten. München soll allein durch die Besucher des Spiels im vergangenen November 33,5 Millionen Euro Umsatz gemacht haben.

Football-Skeptiker verweisen darauf, dass Berlin erst einmal zwölf Millionen Euro für die NFL locker machen muss, um 2025 ein Spiel austragen zu dürfen. Geld, dass vielleicht besser in die Sanierung von Schulsporthallen hätte gesteckt werden können. Und überhaupt, sei der kolportierte Umsatz doch ein reines Marketingversprechen und nicht messbar.

Football wird immer größer, nicht nur in den USA.

© dpa/Godofredo A. Vásquez

Trotzdem hat die NFL inzwischen ein Standing in Deutschland erreicht, dass für eine Randsportart bemerkenswert ist. Eine derart regelmäßige TV-Präsenz in der Primetime kann sonst nur der Fußball für sich reklamieren. Von der Handball-WM beispielsweise übertrugen ARD und ZDF nur die deutschen Spiele, RTL zeigt hingegen sonntags US-Footballteams, zu denen rational gar keine emotionale Verbindung herrschen kann.

Und wer sich einmal so ein dreistündiges Footballspiel angesehen hat, könnte durchaus an einen Punkt kommen, wo sich die Frage nach dem „Warum?“ stellt? Kaum Spielfluss, endlose Werbeunterbrechungen und der Versuch, das alles aus Expertensicht zu erklären. Und hier ist die Rede von einer TV-Übertragung.

Im Stadion selbst ist das Live-Erlebnis eines in Wellen. Es gibt kein wirkliches Hin und Her, sondern immer nur ein Hin oder Her. Zwischendurch kühlt die Stimmung merklich ab, bevor es wieder lauter wird. Football ist ein Sport, für den es Geduld braucht. Die dieses Spiel aber auch regelmäßig belohnt.

Football in Deutschland ist eine reine Amateurveranstaltung

Denn wer sich darauf einlassen und Dinge ausblenden kann, wird gut unterhalten. Anders als im europäischen Spitzenfußball ist tatsächlich irgendwann jede Mannschaft ein potenzieller Titelkandidat. Die Ausgeglichenheit der Liga ist ihr größter Trumpf, auf der anderen Seite fehlt der Überlebenskampf der schwächeren Mannschaften. Da es kein System mit Auf- und Abstieg in der NFL gibt, bleibt in schlechten Zeiten nur die Gewissheit, dass es irgendwann besser wird – und bis dahin viel Langeweile.

Immer wieder stellt sich die Frage, wie nachhaltig der selbst proklamierte Football-Hype in Deutschland ist? Tatsächlich melden Vereine Rekordinteresse, Kinder und Jugendliche haben das Spiel wahrgenommen. Allerdings fehlt es an Trainern, auf nationaler Ebene ist American Football eben eine reine Amateurveranstaltung.

Und wer es wirklich weit bringen will in diesem Sport, muss einstecken können. Gesund ist Football ganz sicher nicht, auch wenn es für den Nachwuchs die kontaktlose Flag-Variante gibt und es schon eine gute Nachricht ist, wenn sich Kinder in der heutigen Zeit überhaupt noch für einen Sport im Verein begeistern können. Hier ist auch im Football jede Unterstützung recht und sei es nur die, dass die Kinder ein NFL-Spiel im Fernsehen verfolgt haben.

Durchaus denkbar, dass es in Zukunft auch wegen der aktuellen Euphorie irgendwann mehr gute deutsche Spieler gibt, die sich einen Platz in einem der 32 NFL-Teams erkämpfen. Es würde die Begeisterung für diesen Sport zumindest bewahren und die Liga in ihrem Ansinnen bestärken, immer noch größer werden zu wollen. Am Ende ist alles ohnehin Geschmackssache, so wie der Super Bowl: Es soll schließlich Menschen geben, die dafür nur wegen der Halbzeitshow einschalten.

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