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Stetig und erfolgreich. Der SC Freiburg braucht kein Geld, um erfolgreich zu sein.

© Peter Steffen/dpa

SC Freiburg in die Europa League?: Die Antithese des modernen Fußballs

Der SC Freiburg macht aus wenig Etat sehr viel, weil er auf Kontinuität in der sportlichen Leitung, den eigenen Nachwuchs und verkannte Talente setzt.

Ach, Europa. Schön wäre es ja schon, kommende Saison international zu spielen, sagte Freiburgs Trainer Christian Streich vergangenes Wochenende. Wenn da nur diese Belastung nicht wäre. Donnerstags spielen, Sonntag dann gleich wieder. Bundesliga, Europa League, Bundesliga, dieser Rhythmus sei für seine Spieler auf Dauer nur schwer zu verkraften.

Die Freiburger Verantwortlichen haben die Zukunft immer im Blick, egal wie Sinne vernebelnd schön die Gegenwart auch sein mag. Sechster ist der Sport-Club einen Spieltag vor Schluss dieser 54. Bundesliga-Saison, das würde zur Qualifikation für die Europa League reichen. Beim Meister FC Bayern wollen die Freiburger ihren Platz nun verteidigen, auch wenn das schwer wird. Nur ein Sieg garantiert die Teilnahme. „Wir freuen uns über die Entwicklung, die die Mannschaft genommen hat“, sagt Sportvorstand Jochen Saier.

Freiburg, der Aufsteiger, hat die Bundesliga mit seinem laufintensiven Spiel in einem Zug erobert. Kaum eine Mannschaft legt in 90 Minuten mehr Kilometer zurück. Die Mechanismen aus der Zweiten Liga, frühes Attackieren und schnelle Tempogegenstöße, greifen auch eine Klasse höher. Das funktioniert, weil die Mannschaft im Kern die gleiche geblieben ist. Kontinuität gehört zu den Grundfesten der Freiburger Fußball-Weltanschauung. Wobei die Definition im Bezug auf Verantwortliche und Spieler eine andere ist. Vier Trainer beschäftigte der Sport-Club seit 1991, weniger als jeder andere Profiverein Deutschlands im gleichen Zeitraum. Auf diese Weise wird Spielern von vorneherein ein Alibi genommen. Trainerwechsel sind auch im Falle des Misserfolgs keine Option. Wenn es sein muss, steigt man zusammen ab.

Ein Trainerwechsel ist auch im Falle des Misserfolgs keine Option

Was die Spieler angeht, ist die Verweildauer kürzer. Freiburger Mannschaften werden meist für eine Zeitspanne von zwei bis drei Jahren zusammengestellt. Länger lassen sich die Spieler nicht halten. Die jetzige Mannschaft hat ihren Ursprung im Abstiegssommer 2015, als Leistungsträger wie Roman Bürki, Vladimir Darida, Jonathan Schmid, Admir Mehmedi oder Felix Klaus gingen und neue Talente kamen oder aus der eigenen Jugendakademie nachrückten. Aufbauen, verkaufen, neu aufbauen – so geht das in Freiburg schon über zwei Jahrzehnte.

Die Nachwuchsabteilung zählt zu den besten des Landes. Das gilt auch für den Bereich Scouting. Der inzwischen verstorbene Fußballtrainer Sascha Lewandowski fand gar, dass kein Verein in Deutschland einen besseren Blick für verborgene Talente habe als die Freiburger. Jüngster Beleg dafür ist Caglar Söyüncü. Den Innenverteidiger entdeckte der SC in der zweiten türkischen Liga, inzwischen wird sein Marktwert im zweistelligen Millionenbereich taxiert. Oder Maximilian Philipp, einst bei Hertha BSC wegen seiner geringen Körpergröße weggeschickt. Angeblich steht Philipp vor einem Wechsel zu RB Leipzig.

„Wir haben uns über die Jahre einen Namen als Standort gemacht, an dem sich Spieler, die woanders noch nicht so auf dem Radar sind, weiterentwickeln können“, sagt Saier.

Mit seiner Auswahl aus Verkannten und Hochbegabten bildet Freiburg die Antithese zur gängigsten aller Regeln des modernen Fußballs. Von den 18 Bundesligisten haben 15 einen höheren Etat. Die zwei, die weniger haben, stehen bereits vor dem letzten Spieltag als Absteiger fest. Nicht auszuschließen, dass es den Freiburgern im nächsten Jahr ähnlich geht. Aber auch das wäre keine Katastrophe. Abstiege werden in Freiburg mit der gleichen Unaufgeregtheit zur Kenntnis genommen wie unerwartete Europapokal-Teilnahmen.

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