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Wie angewurzelt. In der Bundesliga kommen die Füchse mit Manager Hanning (vorne) und Trainer Sigurdsson nicht vom Fleck. Heute empfangen sie Göppingen.

© Imago

Handball: Die Füchse Berlin versinken im Mittelmaß

Weil sie zu viel auf einmal wollen, verlieren die Berliner Handballer ein zentrales Saisonziel aus den Augen. In der Bundesliga haben sie kaum noch Chancen auf einen Spitzenplatz.

Im Hintergrund dudelte die neue Vereinshymne, vorne auf dem Podium saßen alle wichtigen sportlichen Vertreter des Klubs. Trainer Dagur Sigurdsson, Manager Bob Hanning und Kapitän Iker Romero. Der Spanier, sonst gerne in Schlabberhose unterwegs, hatte sogar feinen Zwirn aus dem Kleiderschrank geholt. Es sollte schließlich alles schön und einheitlich rüberkommen bei diesem öffentlichen Termin der Füchse Berlin.

In einem Punkt gestaltete sich das allerdings schwierig: bei der Frage nach den Zielen und Möglichkeiten für die nächsten Monate. Hanning meldete Zweifel an, dass sich der Bundesligist – wie sonst immer in den letzten Jahren – national unter den besten fünf Teams platzieren und damit die Qualifikation für den europäischen Wettbewerb schaffen kann. Sigurdsson wiederum meldete Zweifel an eben dieser Version an. „Wir können das noch schaffen“, sagte der Isländer.

Die Vorstellungen von Trainer und Manager müssen ja nicht deckungsgleich sein. Trotzdem taugte die Szene als Zustandsbeschreibung: Vor dem letzten Heimspiel des Jahres am Dienstagabend gegen Frisch Auf Göppingen (19 Uhr, Max-Schmeling-Halle) wissen sie im Verein nicht so recht, was sie von der laufenden Saison halten sollen.

Im Pokalwettbewerb haben die Berliner zwar noch immer die Chance, ihren Titel zu verteidigen, mit dem Zweitligisten SC DHfK Leipzig wartet im März ein bezwingbarer Gegner im Viertelfinale. Auch international sind sie weiter vertreten: Die Gruppenphase im EHF-Cup beginnt im Februar. In der Bundesliga dagegen haben die Füchse ihre Saison bereits so gut wie geschrottet, nach 19 Spielen belegen sie mit 18:20 Punkten Tabellenplatz zehn – Mittelmaß in Zahlen manifestiert. Gerade gegen die Spitzenteams aus Kiel (27:38), Flensburg (27:36) und Mannheim (20:30) waren die Berliner kein ernsthafter Konkurrent, selbst gegen die Mitstreiter aus dem Mittelfeld der Tabelle setzte es empfindliche Niederlagen, am Samstag kam ein 25:30 beim Bergischen HC dazu. Wie konnte das passieren?

„Es gibt viele Gründe“, sagt Manager Hanning. Zum Beispiel: das Verletzungspech. Mit Spielmacher Bartlomiej Jaszka fehlte über Monate der Mann, von dem nahezu jede Offensivaktion ausgeht. Wie wichtig der Pole für das Gefüge ist, hat er nach seiner auskurierten Schulterverletzung schnell nachgewiesen: mit Jaszka kehrte wieder Struktur zurück. Was Jaszka für die Offensive ist, ist Denis Spoljaric unter defensiven Aspekten: praktisch nicht zu ersetzen. Trotzdem müssen die Füchse seit Monaten ohne ihren kroatischen Abwehrchef auskommen.

Neben diesen zentralen Kräften wurden auch fast alle anderen Spieler von mehr oder weniger schweren Verletzungen zurückgeworfen: Pavel Horak, Fredrik Petersen, Colja Löffler, Konstantin Igropulo, Iker Romero. Erschwerend kommt hinzu, dass selbst verlässliche Leistungsträger wie Silvio Heinevetter und Petr Stochl neben sich stehen.

Formschwankungen und die lange Verletztenliste sind allerdings nur die halbe Wahrheit. „Insgesamt müssen wir festhalten, dass wir alle nicht das in den Topf eingezahlt haben, was wir hätten einzahlen können. Ich betone: alle“, sagt Hanning, „da nehme ich mich nicht aus.“ Das hängt auch mit der hohen Belastung des nicht spielenden Personals zusammen: Hanning verantwortet seit gut einem Jahr nicht nur die Füchse, sondern als Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB) auch den Bereich Leistungssport und im Speziellen die Nationalmannschaft. Bei Sigurdsson sieht es ähnlich aus: Seit August trainiert der Isländer sowohl die Füchse als auch die DHB-Auswahl.

Wenngleich Hanning es nie so deutlich formulieren würde, kann der Eindruck entstehen, dass sie sich im letzten halben Jahr ein wenig übernommen haben bei den Füchsen. „Wenn wir nicht bei 100 Prozent, sondern vielleicht nur bei 90 oder 95 Prozent sind, gehören wir nicht mehr zu den Topmannschaften“, sagt Hanning. Das Problem ist nur: In den letzten Jahren haben die Berliner beständig über ihrem Niveau gespielt und etwaige spielerische Schwächen stets mit mannschaftlicher Geschlossenheit ausgeglichen: siehe den Pokalsieg. „Wir waren ja nicht so erfolgreich, weil uns besonders viel Geld zur Verfügung steht“, sagt Hanning, „wir waren erfolgreich, weil wir eine Idee haben.“

Für diese Idee – eigene Spieler ausbilden, um sie bei den Profis in die finale Lernphase zu schicken – würde der Klub sogar auf ein Jahr im Europapokal verzichten können. „Alles, was wir machen, ist perspektivisch angelegt“, sagt Hanning. Jüngstes Beispiel: Jonas Thümmler. Die Füchse haben den 21-Jährigen kürzlich für eineinhalb Jahre an den HC Erlangen verliehen, obwohl ihnen dadurch nur noch ein gelernter Kreisläufer zur Verfügung steht: Jesper Nielsen. „Trotzdem haben wir uns dafür entschieden, weil Jonas mehr Spielpraxis braucht.“

Thümmlers Wechsel wird mit Blick auf die kommende Saison nicht die einzige Veränderung sein, vier Verträge laufen im Sommer aus. „Wir brauchen wieder Spieler, die Siegermentalität mitbringen“, sagt Hanning. Dann kommt es idealerweise auch nicht mehr zu solch undankbaren Konstellationen wie dieser Tage. Sigurdsson bittet seine Mannschaft sogar am 24. und 25. Dezember in die Trainingshalle. „Bis Silvester entscheidet sich, ob wir uns über die Bundesliga noch für Europa qualifizieren können“, sagt der Coach.

Da haben sich die Füchse-Spieler ganz schön was eingebrockt.

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