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Sport: Die gespielten Spiele

Die Nationalsozialisten gaukelten der Welt 1936 bei den Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen ein friedliebendes Deutschland vor

Das Olympische Feuer brennt wieder im Skistadion von Garmisch-Partenkirchen. Dort sind gerade die „Olympischen Wochen“ eröffnet worden. Sie sollen an das 70-jährige Jubiläum der vierten Olympischen Winterspiele erinnern. Am Montag zogen Jugendliche der einheimischen Skiklubs mit den Fahnen der damals teilnehmenden 28 Nationen ins Skistadion ein. Die historischen Wettkampfstätten wurden herausgeputzt, die bis 1966 genutzte Bob-Bahn wurde von Gestrüpp und Bäumen befreit.

Vom 6. bis 16. Februar 1936 beherbergte Garmisch-Partenkirchen die besten Wintersportler der Welt. Mehr als 600 000 Zuschauer bewunderten die 755 Starter aus 28 Ländern. Sie traten in 17 Disziplinen an. Die Nationalsozialisten, auf deren massiven Druck sich die Orte Garmisch und Partenkirchen vor den Spielen zu einer Stadt zusammenschließen mussten, gaukelten der Weltöffentlichkeit das Bild eines friedliebenden Deutschlands vor. Der Testlauf für die Sommerspiele 1936 war bestanden. Boykottbestrebungen für die Spiele in Berlin von Seiten der USA wurden angesichts des Lobes der knapp 500 akkreditieren Journalisten aus 29 Ländern entscheidend abgeschwächt.

Dabei standen die Nürnberger Rassengesetze von 1935, die die Gleichheit aller Menschen und Glaubensbekenntnisse in Deutschland auch gesetzlich aufhoben, im Gegensatz zu den Menschenrechten und zur olympischen Idee. Große Mühe, die Diskriminierung der jüdischen Bürger zu verheimlichen, gaben sich die Nazis vor den Spielen von Garmisch nicht. Der Staatsminister des Innern wies die Regierung von Oberbayern und das Bezirksamt Garmisch erst am 10. Januar 1936 an, „sämtliche Schilder oder Transparente mit der Aufschrift ,Juden sind hier unerwünscht’ bis zum 15. Januar 1936 zu entfernen“. Karl Ritter von Halt, Präsident des Organisationskomitees der vierten Winterspiele hatte schon im Mai 1935 „mit wachsender Sorge in Garmisch-Partenkirchen und Umgebung eine planmäßig einsetzende antisemitische Propaganda“ beobachtet, „vor allem auf der Landstraße von München nach Garmisch-Partenkirchen“. Sein diesbezügliches Schreiben an Oberregierungsrat Ritter von Lex und das Reichsministerium des Innern beendet von Halt so: „Lieber Lex, ..., Du weißt auch ganz genau, dass ich diese meine Sorgen Dir nicht deshalb mitteile, um den Juden zu helfen, es handelt sich ausschließlich um die olympische Idee.“

Die englische Tageszeitung „Morning Post“ berichtete am Eröffnungstag der Spiele, dass die Nationalsozialisten in Garmisch-Partenkirchen alle antisemitischen Zeichen entfernt hätten. Um den Schein zu wahren, ließ Deutschland auch den als Halbjuden geltenden Eishockeyspieler Rudi Ball in der Auswahl mitspielen. Adolf Hitler wollte sich wegen der Mitwirkung von Ball allerdings keine Spiele der Eishockey-Nationalmannschaft anschauen: Nachdem er das Spiel England gegen Ungarn gesehen hatte, verließ Hitler die Tribüne, bevor Deutschland gegen Kanada antrat.

Im noblen Wintersportort Garmisch- Partenkirchen, der nun die alpinen Weltmeisterschaften 2011 ausrichten möchte, werden die Spiele von 1936 trotz des Nationalsozialismus als sportlicher Höhepunkt betrachtet. Hinweise auf die Manipulation der Spiele im Sinne der Nazis finden sich in der noch bis zum 5. März gezeigten Olympiaausstellung im „Werdenfels-Museum“ der Doppelgemeinde kaum. „Garmisch-Partenkirchen war damals ein Dorf mit 6000 Einwohnern“, sagt Inge Wörndle, 1936 Dolmetscherin im Organisationskomitee. „Während der Spiele habe ich als 20-Jährige von Rassenhetze nichts mitbekommen. Überall herrschte Begeisterung für den Wintersport.“

Nach 1936 wurden aus Sportlern allerdings auch Feinde. Der Norweger Birger Ruud, 1932 und 1936 Olympiasieger im Spezialsprunglauf, saß in der Zeit der Besetzung Norwegens im Konzentrationslager Grini bei Oslo. Bronislaw Czech, 1936 Schlussläufer der polnischen 4x10-Kilometer-Staffel, wurde 1944 in Auschwitz umgebracht.

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