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Sport: Die große Flatter

China will auch im Wintersport an die Erfolge vom Sommer anknüpfen – zum Beispiel im Skispringen

Innsbruck - Die Nationalhymne ertönt, ihre ersten Zeilen lauten: „Steht auf! Nicht länger Sklaven mehr! Die große Mauer neu erbaut.“ Zur selben Zeit wird eine rote Fahne hochgezogen, und der 26-jährige Zhandong Tian aus der Volksrepublik China bekommt eine Goldmedaille um den Hals gehängt. Sieht so die Siegerehrung im Skispringen bei den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver aus? Heinz Koch, Trainer der chinesischen Skispringer, muss lachen. „Einen Olympiasieg haben schon ganz andere Nationen nicht geschafft.“

Bei den Sommerspielen 2004 war diese Szene sehr real. 32 Mal gewannen chinesische Athleten Gold, nur die USA siegten noch dreimal mehr. Dank eines langfristigen Staatsplanes für die Olympischen Spiele 2008 in Peking feierte China sogar Erfolge in Sportarten wie Schwimmen oder Leichtathletik, in denen das Land bisher keine Rolle gespielt hat. Inzwischen sind chinesische Athleten auch im Wintersport öfters vertreten. Zum zweiten Mal in Folge versuchen sich drei chinesische Skispringer bei der Vierschanzentournee. Entwickelt sich China auch im Winter zu einer Sportnation? „In Freestyle und Langlaufen sind sie schon weiter, im Skispringen benötigen sie noch einige Zeit“, sagt Walter Hofer, Renndirektor des Internationalen Skiverbandes (FIS), „ich sehe chinesische Erfolge im Skispringen eher mittelfristig.“

Zumal das Projekt in dieser Saison beinahe an der Finanzierung gescheitert wäre. Der österreichische Computerhersteller Gericom und eine Managementfirma, die zuletzt die chinesischen Skispringer sponserten, hatten sich im Sommer zerstritten. Nun gibt der Computerhersteller 30 000 Euro, der chinesische Verband gibt ebenfalls 30 000 Euro. „Damit finanzieren wir diesen Winter“, sagt Koch. Durch die Planungsunsicherheit kehrten Chengbo Li, Yang Li, Jianxun Wang und Zhandong Tian erst im November nach Österreich zurück, wo sie die Trainingseinrichtungen des örtlichen Skigymnasiums benutzen. „Wir können froh sein, dass wir sie überhaupt hierher gebracht haben", sagt Koch.

Zweimal ist der Österreicher bereits nach China gefahren. Dort gibt es nur rund 30 Skispringer. „China hat ein großes Potenzial im Wintersport“, sagt Koch. In der Nähe von Peking hat er Skiwiesen gesehen, auf denen sich Frauen mit Handtaschen und Männer mit Hüten erstmals im Skifahren versuchten. Er vertritt nun den chinesischen Skiverband als Ein-Mann-Team in Europa und sieht eine gute Zukunft für seinen Job. „Heutzutage sind Beziehungen nach China für die Wirtschaft sehr interessant“, sagt Koch, „und Kontakte zum Skiverband bedeuten in China auch gute Beziehungen nach oben.“

In Oberstdorf stellte sich sogar ein erster sportlicher Erfolg ein. Zhandong Tian qualifizierte sich als erster Chinese für ein Weltcupspringen. Tian, der als Chinas größtes Talent gilt, landete als 48. sogar vor Martin Schmitt. In Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck scheiterten die chinesischen Springer in der Qualifikation. Allerdings starten die Springer nur im Kontinentalcup, der zweiten Liga des Skispringens. „Für den Weltcup stimmt die Leistung noch nicht, die Vierschanzentournee machen wir nur für den Sponsor“, sagt Koch. Er hofft auf die Winteruniversiade im Januar in Seefeld und Innsbruck. „Eine Medaille würde die Aufmerksamkeit der Offiziellen in China wecken“, sagt Koch. Und wer weiß, wenn sich die Funktionäre für die Sportart tatsächlich noch etwas mehr begeistern, könnte das Szenario von Vancouver Realität werden: „Steht auf! Nicht länger Sklaven mehr! Die große Mauer neu erbaut.“

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