Sport: Die letzte Instanz
Jan Ullrich wehrt sich gegen Dopingvorwürfe jetzt sogar beim spanischen Verfassungsgericht
Berlin - In seinen ersten Wochen als ehemaliger Radrennfahrer kann Jan Ullrich schon auf seine Berufserfahrung zurückgreifen. Etwa diese: Auch mit einer Reihe von Zeitgutschriften lassen sich Rundfahrten gewinnen. Das könnte jedenfalls Ullrichs Strategie sein, um bei der Rundfahrt durch seine Vergangenheit die Verfolger abzuschütteln. Sie sind ihm auf den Fersen, um mögliche Dopingverwicklungen aufzudecken.
Dagegen versucht sich Ullrich nun mit der letzten Instanz zu wehren: dem spanischen Verfassungsgericht. Es soll verhindern, dass die beim mutmaßlichen Dopingarzt Eufemiano Fuentes gefundenen Blutbeutel an die Staatsanwaltschaft Bonn ausgehändigt werden. Der Nationale Gerichtshof in Spanien hatte zuvor einen Einspruch Ullrichs gegen die Aushändigung abgelehnt.
Über Ullrichs Klage beim Verfassungsgericht berichtet die spanische Zeitung „El País“, und dieser Schritt könnte Ullrich auf jeden Fall einen großen Zeitgewinn einbringen. Denn zunächst müsste das Gericht darüber entscheiden, ob es die Klage überhaupt zulässt, und wenn dem so ist, könnte Ullrich die Auslieferung mit einem Eilantrag bis zu einem endgültigen Urteil weiter hinauszögern.
Für die Klage waren offenbar Ullrichs spanische Rechtsanwälte zuständig, sein deutscher Verteidiger Peter-Michael Diestel war jedenfalls nach eigener Aussage nicht eingebunden. Er sieht eine mögliche Auslieferung der Blutbeutel an die Bonner Staatsanwaltschaft zwecks DNS-Abgleich ohnehin gelassen. „Man wird Jan Ullrich kein Doping nachweisen können, damit muss man sich abfinden“, sagte Diestel. Es sei auch völlig unerheblich, ob Ullrich mit dem Arzt Fuentes zusammengearbeitet habe: „Ich sage nicht, dass Ullrich von Fuentes behandelt wurde. Aber jeder hat das Recht, sich seinen Arzt frei auszusuchen.“ Daher sei die Frage rechtswidrig, ob Ullrich mit Fuentes in Kontakt stand. „Von welchen Ärzten man sich behandeln lässt, geht niemanden etwas an“, sagte Diestel. T-Mobile hatte sich von Ullrich schriftlich erklären lassen, dass er nie mit Fuentes zusammengearbeitet habe.
Die Bonner Staatsanwaltschaft hält dennoch an ihren Plänen fest. „Wir werden in Spanien nachfragen, wer jetzt was gemacht hat“, sagte Staatsanwalt Fred Apostel. Die Ermittlungen gingen auch ohne Blutbeutel weiter. „Wir haben doch unsere eigenen Akten, und die haben uns nicht dazu gebracht, das Verfahren einzustellen“, sagte Apostel und verwies darauf, dass der spanische Untersuchungsrichter das Verfahren eingestellt habe, weil Doping damals kein Straftatbestand gewesen sei. „Er hat nicht in Abrede gestellt, dass gedopt wurde“, sagte Apostel.
Die öffentliche Auseinandersetzung um Ullrich geht unterdessen genauso weiter wie die juristische. Auch aus Ullrichs Umfeld ist inzwischen zu hören, dass die bisherige Verteidigungsstrategie nicht optimal gelaufen sei und er Vorwürfe nicht gänzlich entkräften konnte. Das betreffe auch Ullrichs Auftritt in der Talksendung von Reinhold Beckmann.
Sein neuer Arbeitgeber, das österreichische Team Volksbank, hat sich ebenfalls Gedanken gemacht nach Ullrichs Auftritt. Die Teampräsentation fand jedenfalls ohne den neuen Berater Ullrich statt. „Für uns ging es darum, dass das Team im Vordergrund steht. Deshalb war die Entscheidung richtig, es ohne Ullrich zu machen“, sagte Pressesprecher Michael Fruhmann. Ob das Team in Ullrichs Vertrag eine Klausel eingefügt habe, die eine sofortige Kündigung bei einem Dopingbeweis vorsieht, ließ Fruhmann offen. „Wir möchten uns an Spekulationen nicht beteiligen. Zu den Details im Fall Ullrich werden wir uns zu gegebener Zeit äußern.“
Wann die Zeit gegeben ist, mag auch Ullrich nicht entscheiden. Noch gibt es keinen Termin, bei dem Ullrich auch kritische Fragen öffentlich beantworten wird.