
Sport: Die Pirouette des Platzhalters
Der junge Danny Welbeck schießt ein wunderschönes Siegtor für England – dennoch wird er nun wohl Wayne Rooney weichen müssen.
Als das Drama überstanden war und die Stadionregie „We are the Champions“ einspielte, redete alles nur über dieses Tor. Über das finale 3:2 über Schweden, Danny Welbeck hatte es zwölf Minuten vor Schluss eingeleitet mit einer Pirouette am Kreidestrich des schwedischen Fünfmeterraums und vollendet mit einem Fersenkick, in seinem Rücken der Abwehrhüne Olof Mellberg, wütend und hilflos. Was für ein Tor! „Es war würdig, dieses Spiel zu entscheiden“, sagte Englands Trainer Roy Hodgson.
Nur Danny Welbeck mochte nicht viel sagen. Brav sprach er sein Pflichtstatement über „den tollen Mannschaftsgeist“ und dass „wir alle ganz eng zusammengerückt sind“. Danny, Welbeck, 22, angestellt bei Manchester United, ist ein zurückhaltender Mensch. Und vielleicht ahnte er ja schon in der Nacht von Kiew, dass sein Platz bald wieder der auf der Ersatzbank sein wird. Denn am Dienstag in Donezk beim Vorrunden-Showdown gegen die Ukraine ist Wayne Rooney wieder dabei, der Klubkollege aus Manchester. Und niemand zweifelt daran, dass dieser seinen angestammten Platz ganz vorn im englischen Team einnehmen wird. „Wayne Rooney ist ein ganz spezieller Spieler“, sagte Trainer Hodgson. „Wenn ich ihn draußen lasse, bricht bei uns in der Kabine die Hölle aus.“
Rooney saß am Freitagabend ein letztes Mal auf der Tribüne, das heißt: Er stand meist, jedenfalls immer, wenn die Kamera auf ihn blendete und dabei beobachtete, wie er die Tore seiner Kollegen bejubelte: Andy Carrolls großartigen Kopfball, Theo Walcotts krummen Distanzschuss und Danny Welbecks eingesprungene Pirouette. Wayne Rooney schien sich aufrichtig zu freuen. Carroll, Walcott und Welbeck sind auch Stürmer, aber eher Kollegen denn Konkurrenten für ihn. 27 Tore hat er zuletzt in der gerade abgelaufenen Premier-League-Saison für United geschossen. Danny Welbeck, der Matchwinner von Kiew, kam auf gerade neun.
Dass Rooney bei den ersten beiden EM-Spielen auf den Tribünen von Donezk und Kiew saß und stand, war seiner Roten Karte im letzten Qualifikationsspiel gegen Montenegro geschuldet. Einem dämlichen Nachtreten, als England längst durch war. Jetzt ist die Sperre abgesessen, und wie sehr ihn die Mannschaft braucht, das war auch beim Sieg über die Schweden zu sehen. Carroll fiel eigentlich nur bei seinem Kopfball auf und Welbeck bei seiner Pirouette. Der entscheidende Mann war Walcott, und der beansprucht nicht Rooneys Platz in der Mitte, sondern auf Rechtsaußen.
Als er am Freitag nach einer Stunde ins Spiel kam, lag England 1:2 hinten und das Spiel war längst keine geordnete taktische Abhandlung mehr. Verteidiger John Terry stürmte, den Flügelstürmer Theo Walcott hielt es nicht auf dem Flügel. Gerade vier Minuten nach seiner Einwechslung drosch er am Strafraum einen abprallenden Eckball einfach zurück Richtung Tor. Der Schuss war weder hart noch platziert, aber der Ball hatte Spin und schlug direkt über Andreas Isaksson ein. Beinahe indigniert nahm Walcott die Glückwünsche entgegen und zupfte sich den verrutschten Kragen zurecht. Doch, doch, er habe sich schon gefreut, „aber wir wollten gewinnen und da war keine Zeit für großen Jubel“.
Das klingt genauso abgeklärt, wie der gerade 23 Jahre alte Mann vom FC Arsenal die entscheidenden Minuten in Kiew inszenierte. Denn Danny Welbecks Pirouettentor, es wäre nicht möglich gewesen ohne Theo Walcotts Chuzpe, diesen federleichten Lauf durch die Lücke zwischen den schwedischen Kraftpaketen Sebastian Larsson und Jonas Olsson. Walcott schwenkte kurz nach rechts, lief hinunter bis zur Grundlinie und hob den Ball zärtlich dorthin, wo Welbeck sein Zauberkunststück zur Aufführung brachte.
Weiter oben freute sich Wayne Rooney mit dem jungen Kollegen, der ihm in Old Trafford als Zuarbeiter dient und als Platzhalter in der Nationalmannschaft. Bevor es richtig ernst wird bei dieser EM.
Wayne Rooney war wegen einer Roten Karte für die ersten beiden Gruppenspiele gesperrt