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DFL: Die Reform reformieren
Die DFL nutzt die Gunst der Stunde und ringt DFB-Chef Theo Zwanziger Zugeständnisse ab. Es wird Änderungen bei den Schiedsrichtern geben.
Nach den Beratungen unter der Woche zu Hause in Altendiez, besonders mit seinen Söhnen Frank und Ralf, hatte Theo Zwanziger ein fünfseitiges Referat erarbeitet. Den Ablauf des Falles um den Schiedsrichter-Funktionär Manfred Amerell, der seit einem Monat als Schiedsrichter-Sexskandal für Aufregung sorgt, seine Motive bei der Aufklärung, aber auch seine „Befindlichkeit“, wie er es selbst nannte, brachte der 64-Jährige zu Papier. „Er hat es sehr persönlich vorgetragen“, beschrieb Liga-Chef Reinhard Rauball den Auftritt des DFB-Präsidenten am Freitag in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes. Zwanzigers Stärke ist die emotionale Ansprache. Der Mann aus Altendiez im Westerwald kann an guten Tagen seine Zuhörer gefühlsmäßig berühren, wie er am 15. November bei seiner Trauerrede für Robert Enke vor einem Millionen-Publikum an den Fernsehgeräten bewiesen hatte.
Vor dem DFB-Präsidium zog Zwanziger alle Register, schließlich stand er auch intern massiv unter Druck. Dem Präsidenten hatte man vorgeworfen, er habe den Skandal bisher nicht gut gemanagt. Vor dem anschließenden Vertrauensvotum, das er von dem 47 Personen umfassenden DFB-Vorstand erhielt, musste sich der Präsident aber einiges anhören. Die Vertreter der Deutschen Fußball-Liga (DFL) folgten ihrem Plan, Zwanziger zurechtzustutzen. Zu deutlich durfte die Kritik an seinem Krisenmanagement allerdings nicht ausfallen, damit Zwanziger nicht doch seiner Idee folgen würde, seinen Rücktritt einzureichen. Die DFL aber nutzte die Gunst der Stunde, dem Selbstkritik übenden Präsidenten Zugeständnisse abzuringen. Diese Zugeständnisse sind bedeutend für das Schiedsrichterwesen und damit indirekt auch für die Bundesliga.
Die DFL lehnte den Außerordentlichen Bundestag für eine Schiedsrichterreform am 9. April in Frankfurt zunächst ab. DFL-Präsident Rauball erklärte, dass ein Entscheid des Präsidiums für eine Schiedsrichter-Neuordnung ausgereicht hätte. Aber Zwanziger schätzt offenbar die Auftritte vor dem höchsten Verbandsgremium. Bereits zum dritten Mal findet ein außerplanmäßiger Bundestag statt, um die Lösung eines speziellen Problems herbeizuführen. Die DFL setzte sich am Freitag aber bei Sachfragen durch. Das Konzept, an dem auch Ex-Schiedsrichter Herbert Fandel mitgearbeitet hatte und das für mehr Transparenz sorgen soll, geht der DFL nicht weit genug. Die Liga fordert eine größere Gewaltenteilung bei den Schiedsrichterfunktionären. „Es kann niemals mehr sein, dass das Beobachten von Schiedsrichtern, das Ansetzen, das Führen und das Auswählen in einer Hand liegt“, sagte Zwanziger.
Die Eigenverwaltung der DFL ist nur im Schiedsrichterwesen beschränkt, denn dieses steht unter Hoheit des DFB. „Wir können künftig unseren eigenen Mann einbringen“, sagte Rauball. Hellmut Krug, der Schiedsrichterexperte der DFL, darf in Zukunft mitreden. Auf eine sofortige Trennung von Volker Roth, dem Vorsitzenden des DFB-Schiedsrichterausschusses, bestand die DFL nicht. Roth hatte den Verdacht der sexuellen Belästigung von Amerell an Schiedsrichter Michael Kempter längere Zeit für sich behalten. Doch beim Extra-Bundestag und nicht erst im Oktober soll Roth seinen Hut nehmen. Sein Nachfolger wird Fandel. Die Schiedsrichter-Ansetzungen könnte dann Krug vornehmen.
Unterdessen berichten die drei aktiven und ehemaligen Schiedsrichter, die Amerell ebenfalls der sexuellen Belästigung bezichtigen, Details ihrer Vorwürfe. Dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ erklärte einer: „Es ging von Küssen bis zu den Genitalien, bis zum Sich-dran-Vergehen“. Der „seelische Schock“ sei immer noch da. Ein anderer sagte: „Man schämt sich und hat gedacht, das passiert einem nicht.“ Sie seien mit Amerell zu höherklassigen Spielen gereist. Die Belästigungen sollen sich zwischen 2005 und 2009 zugetragen haben. Die Namen der drei Schiedsrichter sind dem Tagesspiegel bekannt, sie wollen aber anonym bleiben. Amerell bestreitet energisch, dass er die Schiedsrichter belästigt habe. mit dpa
Gregor Derichs[Frankfurt am Main]