Sport: Die Selbstzweifel besiegt
Schalke ist nach dem Erfolg über den VfB Stuttgart wieder zuversichtlich, Meister zu werden
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Die Arena des FC Schalke 04 stand noch nie in dem Ruf, ein Ort der Stille zu sein. Wenn sich aber so viel Spannung auf einmal entlädt wie in der 76. Minute im Spiel gegen den VfB Stuttgart, dann kann es sogar hier noch ein paar Dezibel lauter werden als gewöhnlich. Das erste und einzige Tor der Partie rief einen solchen Donnerhall der Emotionen hervor, dass sogar der härteste aller Schalker Profis das Gemisch der Gefühle körperlich zu spüren glaubte. „Ich dachte, das Stadion ist explodiert“, sagte Mladen Krstajic, der Torschütze. Es schien, als hätte sein Treffer ganz Schalke das Gefühl vermittelt, nach vorübergehend unruhiger Fahrt wieder Haftung und Halt zu haben wie ein Zug, der kurz vor dem Entgleisen stand, den Unfall aber doch noch abwenden konnte. Nach dem Sieg im Spitzenspiel gegen einen nun sieben Punkte entfernten Konkurrenten sind die Westfalen wieder zuversichtlicher, die deutsche Meisterschaft holen zu können – zum ersten Mal nach beinahe fünf Jahrzehnten.
Beim 1:0 hat die Mannschaft nicht nur einen ihrer Mitbewerber um den Titel besiegt, sondern auch die Selbstzweifel, die nach vier Spielen ohne Sieg aufgekommen waren. Die Schalker sind weiter Tabellenführer, aber was noch wichtiger ist: Sie fühlen sich auch wieder so. „Es war ein kleines Finale für uns, und es war der richtige Sieg zum richtigen Zeitpunkt“, sagte Krstajic. Nämlich exakt vor dem Auswärtsspiel gegen den Titelkonkurrenten FC Bayern München, der heikle Situationen manchmal durch psychologische Kriegsführung für sich zu entscheiden vermag. In dieser Saison scheint aber auch der Glücksfaktor für Schalke 04 zu sprechen.
Der Sieg gegen Stuttgart war kein großer Sieg, schon gar kein glanzvoller. Mindestens so viel wie die drei Punkte zählt aber die Rückkehr anderer Komponenten, die in Gelsenkirchen lange nicht mehr zu beobachten waren. Im Spiel gegen Stuttgart haben sich Glaube, Glück und Geduld auf Schalke zusammengefunden und gegen einen Fußball durchgesetzt, der besser aussah als der, den der Tabellenführer spielte. „Wenn man so viel Dusel hat, kann man Deutscher Meister werden“, sagte Slomka. Bei den guten Stuttgarter Chancen zu Beginn der zweiten Hälfte hatte er manche Schrecksekunde zu überstehen, vor allem beim Pfostentreffer des Mittelfeldspielers Thomas Hitzlsperger. Wäre dessen Schuss im Tor gelandet, hätte Schalke wohl zum dritten Mal nacheinander zu Hause verloren und wäre in eine Depression gestürzt.
Hitzlspergers Fehlschuss auf der einen und Krstajics Abstaubertor auf der anderen Seite stehen exemplarisch für die glücklichen Momente, die Schalke in dieser Saison anscheinend zu erzwingen vermag, wie die Liga es bislang nur von den Bayern kannte. Torschütze Krstajic erhebt den Anspruch, diesmal endlich Meister zu werden. Er selbst gibt dafür alles, spielt mit einem Korsett aus Karbon, das seine Rippen umhüllt, von denen eine gebrochen ist. Während Krstajic die innere und äußere Stärke personifiziert, gibt es noch einen ins Mystische weisenden Aspekt des jüngsten Triumphes, die Koinzidenz der Ereignisse: Schalke geht in Führung, Bayern bekommt ein Gegentor, Gerald Asamoah kehrt nach einem halben Jahr Verletzungspause auf das Spielfeld zurück – und das alles innerhalb von zwei Minuten. Sonst treffen in solchen Phasen die Bayern und die anderen nicht – wie etwa im Mai 2001, als Schalke in Stuttgart das 0:1 just in derselben (auch noch der letzten) Minute hinnehmen musste, in der Bayern der Siegtreffer gegen Kaiserslautern gelang. Diesmal aber begünstigte das wundersame Zusammentreffen richtungsweisender Umstände die Gelsenkirchener. Schalke erhöhte den Abstand zu den Bayern auf neun Punkte. „Wenn man so gewinnt, steht man am Ende ganz oben“, sagte Asamoah.
Das neue Sicherheitsgefühl der Schalker macht auch vor der Ersatzbank nicht halt. Neben Asamoah kehrte auch Sören Larsen als Teilzeitkraft in die Elf zurück, während der besonders vermisste Verteidiger Christian Pander nach langer Pause sogar 90 Minuten mitspielte. Über den Titel wollte Trainer Mirko Slomka eigentlich dennoch nicht sprechen, tat es aber doch: „Ich bin noch vorsichtig, aber wir wollen unsere Position unbedingt verteidigen.“
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