zum Hauptinhalt
Die Spielerinnen der deutschen Nationalmannschaft freuten sind lange auf die Eishockey-Weltmeisterschaft in Kanada.

© imago images/Nordphoto

Nach der Absage der Eishockey-WM: Die Spielerinnen wurden ihres Traums beraubt

Nach der Absage der Eishockey-WM in Kanada fragen sich die Spielerinnen, warum es keinen Plan B gab und ob bei den Männern genauso gehandelt worden wäre.

Eigentlich wollte die 24-jährige Berlinerin Laura Kluge heute am zweiten Tag ihrer Quarantäne in einem Hotelzimmer in der 13000 Einwohner-Gemeinde Truro in der westkanadischen Provinz Nova Scotia sitzen. Es sollte ein Einzelzimmer sein, die Selbstisolation war für neun Tage geplant.

Das Essen hätte man ihr vor die Tür gestellt, Workouts sollten per Zoom stattfinden genau wie Teamsitzungen. Weder ein Spaziergang zum Salmon River wäre möglich gewesen, noch die Besichtigung der Landwirtschaftlichen Universität. Hier hätte sie direkt nachschauen können, ob denn da wirklich sechs Originalteile der Berliner Mauer stehen oder doch nicht.

Aber dann kam alles anders. Laura Kluge sitzt heute vor dem Fernseher in ihrem alten Kinderzimmer in der Wohnung ihrer Eltern in Alt-Hohenschönhausen. Sie darf spazieren gehen, einkaufen und endlich sogar mal die engeren Verwandten besuchen, für die sie in den vergangenen Jahren eher weniger Zeit hatte.

Statt am vergangenen Donnerstag das Flugzeug in Richtung Kanada zu besteigen, hatte sie sich in ihr Auto gesetzt und war aus Füssen nach Berlin gefahren. Einen halben Tag vorher hatte sie von Interims-Bundestrainerin Franziska Busch und Teammanagerin Julia Graunke die Hiobsbotschaft übermittelt bekommen. „Dann war es erst einmal still, es herrschte Enttäuschung und Fragen nach dem 'warum' kamen auf“, erzählt Kluge.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

„Danach haben wir viel miteinander geredet. Für manche wäre es die erste WM gewesen, da war die Enttäuschung natürlich sehr groß, andere wieder wollten unbedingt noch mal eine WM spielen, da war die Enttäuschung auch riesig. Einige waren vorher gerade von Verletzungen zurückgekommen. Wir haben geredet und probiert, uns gegenseitig zu unterstützen.“

„Frauen-Eishockey hat etwas Besseres verdient“

Ähnlich tief getroffen wie einige Spielerinnen des deutschen Eishockey-WM-Kaders fühlten sich wohl viele Spielerinnen der zehn teilnehmenden Mannschaften. Jill Saulnier aus dem kanadischen Team war beispielsweise so voller Vorfreude auf ihre Heim-WM, dass sie ihren langen Eintrag auf der Social Media-Plattform Instagram mit den Worten beschloss: „Ich liebe diesen Bundesstaat, aber ich bin unglaublich enttäuscht davon, dass wir dieses Traums beraubt werden.“

Minnamari Tuominen von den Finninnen schrieb im gleichen Portal „Frauen-Eishockey hat etwas Besseres verdient. Einen Plan B zum Beispiel.“ Genau der ist der springende Punkt an dem sich die Diskussionen entzünden. Die Verantwortlichen von Hockey Canada, dem Verband, der das Turnier zusammen mit dem Eishockey-Weltverband IIHF ausrichten wollte, hatten ihre engmaschige Test- und lange Quarantänestrategie für das Turnier in Halifax und Truro auf den Erfahrungen der U20-WM der Junioren in Edmonton Ende 2020 aufgebaut.

Und sie hatten sehr lange von den zuständigen Stellen in Nova Scotia grünes Licht erhalten. Als dann aber die Fallzahlen dort wieder anstiegen, wurden neue Reise-Restriktionen für die Provinz beschlossen. Daraufhin entzog Nova Scotia's Premier Iain Rankin dem Turnier die Genehmigung zur Veranstaltung. „Ich bedauere die Kurzfristigkeit dieser Entscheidung außerordentlich, aber die schnelle Verschlechterung der Lage zwingt uns im Interesse der Einwohner Nova Scotias und der Teilnehmerinnen zu dieser Entscheidung“, ließ er sich zitieren.

„Wäre das eine Männer-WM gewesen, wäre sie sicher nicht abgesagt worden.“

Eine sehr harte Entscheidung, die man sich auch für den einen oder anderen Wettbewerb im Männerbereich gewünscht hätte, bei dem sich Sportler infizierten. Nun trifft sie ausgerechnet die Eishockey-Frauen, deren WM 2020 ebenfalls Covid-19-bedingt abgesagt werden musste und deren olympisches Qualifikationsturnier für die Spiele in Peking 2022 ebenfalls noch in diesem Jahr, nach mehrfacher Verschiebung, ins Haus steht.
„Ich glaube, wir haben zu wenig Hintergründe zu dem, wie es dann wirklich gelaufen ist“, sagt Interims-Bundestrainerin Busch und kommt zurück auf das, was die größte Kritik ist. „Die große Frage ist, warum gab es keinen konkreten Plan B.

Wir haben uns in Füssen zeitgleich mit den Jungs der U18-Junioren vorbereitet und hatten dadurch einen ziemlich guten Überblick, was die erwartet und was uns erwartet. Das waren zwischen den USA und Kanada einfach komplett andere Situationen. Vielleicht wäre es andersherum ähnlich gelaufen. Man weiß es nicht...
Am Dienstag soll vom Weltverband IIHF und den Teilnehmerinnen-Nationen darüber beraten werden, wie es nun weiter geht. Hockey Canada will unbedingt die WM 2021 noch veranstalten. Dafür stand Anfang des Jahres schon mal der Termin vom 20. bis 30. August 2021 im Raum.
Laura Kluge wird derweil erst mal ein bisschen Pause machen vom Sport und ihren Körper ausruhen. Und auch wenn sie nachvollziehen kann, dass die Austragung der WM im gesundheitlichen Interesse vieler Menschen unterbunden wurde und das richtig findet, sagt sie: „Wäre das eine Männer-WM gewesen, wäre sie sicher nicht abgesagt worden.

Daniel Goldstein

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false