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Zwei DDC-Spieler haben vor dem Reichstag in Berlin die Augen fest auf die Scheiben gerichtet.

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„Die tollste Sportart, die niemand kennt“: Double Disc Court kämpft gegen das Verschwinden an

In Berlin findet Ende Juli im Scheibensport „DDC“ die erste Europameisterschaft seit 30 Jahren statt. Die Sportart steht für Inklusion, variantenreiche Würfe und taktische Tiefe – kämpft aber ums Überleben.

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Zwischen Schneeleoparden und der Scheibensportart Double Disc Court (DDC) gibt es eine traurige Parallele: Beide sind vom Aussterben bedroht. Nur rund ein Dutzend aktive Spielerinnen und Spieler dieser immer seltener werden Sportart gibt es in Berlin. Doch am 27. und 28. Juli versammeln sich Europas beste DDCler in der Hauptstadt zur ersten Europameisterschaft seit 30 Jahren. Um zu zeigen, wie schön ihr Sport ist – und Nachwuchs zu begeistern.

Wer zum ersten Mal DDC schaut, wird sich an ein Tennis-Doppel erinnert fühlen. Denn beim DDC spielen zwei Teams mit je zwei Spielern gegeneinander. Jedes Team besetzt eine 13 mal 13 Meter große, quadratische Zone – ihren „Court“. Was beim Tennis das Netz wäre, das überspielt werden muss, sind beim DDC die 17 Meter zwischen den Zonen. Doch wo beim Tennis nur ein einziger Ball im Spiel ist, fliegen beim DDC zeitgleich zwei Frisbeescheiben durch die Luft – daher das „Double Disc“ im Namen.

Die beiden Zonen beim Double Disc Court liegen 17 Meter auseinander. Gespielt wird mit zwei Scheiben.

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Komplexes Hin und Her fliegender Scheiben

Mit variantenreichen, präzisen Würfen entspinnt sich ein komplexes Hin und Her mit fliegenden Scheiben. Ein Team kann auf drei Arten punkten. Einen Punkt gibt es, wenn die geworfene Scheibe im gegnerischen Feld landet, ohne gefangen worden zu sein. Einen Punkt gibt es auch dann, wenn das gegnerische Team die Scheibe ins Aus wirft. Gleich zwei Punkte erzielt man, wenn das gegnerische Team zeitgleich beide Scheiben berührt.

„DDC ist die tollste Sportart, die keiner kennt“, schwärmt Marc Pestotnik. Der 48-Jährige hat vor mehr als zwanzig Jahren mit dem Scheibensport begonnen. Zunächst spielte er „Freestyle“, wo Spieler Tricks mit der rotierenden Scheibe machen, die Frisbee auf spektakuläre Weise werfen und fangen. Dann kam er zum „Discgolf“, wo das Ziel ist, seine Frisbeescheibe mit möglichst wenigen Würfen in einen Metallkorb zu navigieren. Schließlich entdeckte er DDC – und war sofort begeistert von der Dynamik und der strategischen Tiefe.

Strategische Tiefe

Es gibt Rollenverteilungen auf dem Spielfeld: Eine Person deckt den vorderen Spielfeldteil ab, die andere den Hinteren. Um zu verhindern, gleichzeitig ankommende Scheiben zeitgleich in der Hand zu halten, wird das Fangen durch Hochschlagen der Scheiben teilweise verzögert. Das nennt sich „Tippen“, teilweise kommt es zu Doppel- oder Dreifach-Tips. Damit das funktioniert, müssen die Mitspieler viel miteinander kommunizieren. „DDC kann mitunter ziemlich spektakulär sein“, sagt Pestotnik. Zuschauer seien regelmäßig überrascht davon, die variabel und zugleich gezielt Scheiben durch die Luft sausen.

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Pestotnik ist einer der Hauptorganisatoren der Europameisterschaft, die Ende Juli auf dem Sportkomplex Hansastraße in Pankow vom Frisbeesport Landesverband ausgetragen wird. Ziel des Turniers ist es, die besten Spieler Europas zusammenzubringen, damit sie sich vernetzen können – um positive Impulse für die Weiterentwicklung des Sports zu setzen und den Niedergang zu verhindern. „DDC ist ein Frisbeesport-Kulturgut, und zugleich eine bedrohte Sportart. Ich sehe einen Auftrag, das zu schützen“, sagt Pestotnik. „Als Liebhaber des Frisbeesports fände ich es schade, wenn DDC verloren ginge“.

Alter und Geschlecht sind egal

Bei der „Double Disc Court European Open“ können Zuschauer einige der weltbesten DDCler bestaunen. Der Eintritt ist frei. Insgesamt treten bei dem Turnier in Berlin rund 20 Teams aus zehn Nationen an, darunter neben den deutschen Doppeln auch Talente aus Finnland und Bulgarien. Das derzeit beste Team der Welt – aus Schweden – geht in Berlin ebenso an den Start wie die DDC-Legende Conrad Damon aus den USA. Damon ist mehrfacher Weltmeister und hat im DDC in etwa den Heldenstatus, der im Fußball Lionel Messi zukommt. Pestotnik spricht von ihm als womöglich „Greatest Of All Time“ (GOAT), der beste Spieler aller Zeiten.

Die lebende Legende Conrad Damon ist inzwischen 60 Jahre alt – und verkörpert damit ein Manko und ein Alleinstellungsmerkmal vom DDC zugleich. „Der Sport kann alters- und geschlechtsübergreifend gespielt werden“, benennt Pestotnik den Pluspunkt. Schwindende oder fehlende Athletik könne durch ein gutes Stellungsspiel und Spielverständnis ausgeglichen werden. So sei es gut möglich, dass im Berliner Finale letztlich Zwanzigjährige gegen Sechzigjährige spielen.

Conrad Damon (rechts) ist eine DDC-Legende. Auch er tritt beim Turnier in Berlin mit an.

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Auch Frauen hätten beim DDC kaum Nachteile, einige Teams gehen in gemischter Aufstellung an den Start. „Dieser inklusive Aspekt macht DDC zu etwas Besonderem.“ In nur wenigen anderen Sportarten können Männer und Frauen, Ältere und Jüngere so problemlos zusammenspielen. „Eigentlich muss man nur vier Leute zusammenbekommen“, sagt Pestotnik. „Man sollte nicht meinen, dass das schwer ist“. Ist es aber.

DDC mit ernsten Nachwuchsproblemen

Dass Conrad Damon noch im fortgeschrittenen Alter als GOAT gilt, hängt nämlich auch mit einem ernsthaften Nachwuchsproblem zusammen. „Vor ein paar Jahrzehnten gab es eine aktivere DDC-Szene“, sagt sich Pestotnik. Die letzte richtige Europameisterschaft wurde vor mehr als 30 Jahren ausgerichtet. Warum das so ist? „Vielleicht wegen Kinder, Job oder anderes“, mutmaßt Pestotnik.

Klar ist für ihn allerdings: „DDC darf nicht ganz verschüttgehen. Wir müssen einen Weg finden, dass der Sport mehr Leute erreicht“. Drei volle Rasenfeldern werden deshalb am letzten Juliwochenende zugleich elf DDC-Feldern umfunktioniert. Die Halbfinals und das Finale werden am Sonntagmittag ausgetragen. Als Zwischenshow wird es voraussichtlich eine Freestyle-Showeinlage geben. „Das passt, denn das ist eine weitere Frisbee-Randsportart auf hohem Niveau“, sagt Pestotnik. Man wünscht sich, dass sowohl dem Schneeleoparden als auch DDC der Absprung gelingt – und sie die Gefahr des Aussterbens abwenden können.

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