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Sport: Die Winterberühmtheit

Vor fast einem Jahr gewann Biathletin Kati Wilhelm olympisches Gold – seitdem hat sich viel verändert, nur sie ist die Gleiche geblieben

Oberhof. Die Briefe einfach ins Altpapier zu werfen, kommt nicht in Frage. „Die hebe ich auf. Wenn man alt und klapprig da steht, ist das bestimmt ganz lustig, sie hervorzukramen“, sagt Kati Wilhelm über die Liebesbriefe, die ihr wildfremde Männer im vergangenen Jahr geschickt haben. Und: „Vielleicht findet man so ja mal einen Mann.“ Im Februar 2002, vor fast einem Jahr, gewann sie bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City zwei Mal Gold und ein Mal Silber.

Ausgerechnet sie, die erst drei Jahre zuvor vom Langlauf zum Biathlon gewechselt war und die froh war, dass sie beim Schießen am Anfang viel allein trainierte. Aus reinem Selbstschutz. „Wenn ich die anderen gesehen hätte, hätte ich mir vielleicht doch Sorgen gemacht.“ Weil sie selbst so oft daneben geschossen hatte. Ihren WM-Sieg 2001 nahm die Öffentlichkeit nicht wahr, die Olympiasiege schon. Olympische Spiele sind etwas anderes als Weltmeisterschaften, es gab Rekordquoten bei den Übertragungen der Wettbewerbe im Fernsehen. Die Frau mit den roten Haaren und dem Gewehr, die kannte bald jeder Fernsehzuschauer. Dazu kam, dass Biathlon schon seit einiger Zeit nicht mehr als Randsportart gilt.

Und so war Kati Wilhelm bei den Fans plötzlich gefragt. Der eine oder andere Mann schrieb ihr, was für eine tolle Frau sie doch sei. „Die kriegen erst einmal eine Autogrammkarte zurück, dann landet der Brief in dem ,Beantworten’-Korb“, erzählt die 26-Jährige. Wenn sie mal viel Zeit hat, will sie den schwärmenden Herren persönlich ein paar Zeilen zurückschreiben. Einer hat ein Foto von sich mitgeschickt. Ist er denn ihr Typ? „So genau habe ich es mir noch gar nicht angeschaut", sagt Kati Wilhelm. Sie weicht solchen Fragen lieber aus.

Kati Wilhelm ist eine Winter-Berühmtheit. Im Sommer, wenn sie beim Konditionstraining paddelt und radelt statt Ski zu laufen, erkennt die Biathletin vom SCM Zella- Mehlis beim Bummeln in Berlin oder Erfurt niemand. Seit Saisonbeginn, seitdem sie wieder im Fernsehen präsent ist und bei der Wahl zu Deutschlands Sportlerin des Jahres Platz drei belegte, hat sich das wieder geändert. Da kam Kati Wilhelm ins Grübeln, wie und wo sie Silvester feiern sollte. Bei jeder öffentlichen Fete „musst du dich dann mit den Fans unterhalten, die dir sagen, wie schön Biathlon ist“. Natürlich freut sie sich über die auch von ihr entfachte Begeisterung der Anhänger, aber sie will es „nicht jeden Tag hören".

Silvester feierte sie dann ausgerechnet in Oberhof, der Biathlon-Hochburg schlechthin, wo es wirklich niemanden gibt, der sie nicht kennt. Gerade dort hatte sie dann ihre Ruhe, „die Leute dort haben Respekt und freuen sich, dass man unter Menschen geht“. Die Leute schauen, aber sie nerven nicht.

Nach Wettkämpfen verteilt Kati Wilhelm Autogrammkarten. Beim Weltcup in Oberhof hielt sie die Ski und die Autogrammkarten in der einen Hand, mit der anderen malte sie trotz Handschuhen ihren Namen auf Zettel und Anoraks. Das sind die Momente, in denen sie aufpassen muss, dass sie „nicht pampig“ wird. Fans können verdammt skeptisch sein, und „manche denken, die Unterschrift auf der Karte ist ein Stempel. Sie glauben nicht, dass ich selber unterschrieben habe.“ Und halten ihr das längst unterschriebene Bild wieder vor die Nase. Damit sie sehen, dass Kati Wilhelm auch wirklich selber ihren Namen zeichnet.

Dass sie auch mal über die Fans meckert und nicht alles schönredet, ist typisch für die Thüringerin, die sich selbst als ehrlich, frech und lustig beschreibt. Nur um Öffentlichkeit zu erzeugen, lässt sie nicht alles mit sich machen. Einen Termin mit Fernseh-Blödler Stefan Raab sagte sie ab, weil sie nicht als Klamaukfigur benutzt werden wollte. Wilhelm, deren Elektrotechnik-Studium an einer Fern-Universität derzeit ruht, will „nicht der Sportdepp sein". Das hat sie einmal in einem Interview gesagt. Aber auch nicht das nackte Model. „Schöne Fotos ohne Sportklamotten“ lässt sie machen, aber keine ganz ohne Kleidung. Inzwischen vertritt die Deutsche Sport-Marketing GmbH Kati Wilhelm, die inzwischen fünf Sponsoren hat. Bei ihrer Agentur hat sie das Gefühl, dass sie mitreden kann, dass nichts über ihren Kopf entschieden wird. Statt sich auszuziehen, besucht sie lieber ein Managementseminar – und referiert vor hundert Leuten über Motivation aus sportlicher Sicht.

Helen Ruwald

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