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Doping-Prozess um Team Gerolsteiner: Viagra im Kulturbeutel

Die ehemaligen Gerolsteiner-Teamärzte Ernst Jakob und Mark Schmidt sagen im Schumacher-Prozess wenig – aber durchaus Kurioses.

Dass modernes Doping nicht ohne anleitende Ärzte funktioniert, ist offensichtlich. Dass die weißen Kittel der Herren Doktoren aber einen nahezu blickdichten Schutz bei der Aufklärung ihrer Mitarbeit daran bieten, wurde jetzt beim Betrugsprozess gegen den Radprofi Stefan Schumacher vor dem Stuttgarter Landgericht wieder einmal deutlich. Am Montag war Ernst Jakob als Zeuge geladen, gestern dann Mark Schmidt. Die beiden ehemaligen Mannschaftsärzte des Team Gerolsteiner werden von Schumacher bezichtigt, Doping im Team toleriert und unterstützt (Jakob) oder sogar eigenhändig durchgeführt (Schmidt) zu haben. Für den einstigen Profi ist die Mitwirkung der Ärzte ein zentraler Punkt. Doping, so seine Argumentation, war in der Mannschaft derart verankert, dass auch Teameigner Hans-Michael Holczer davon gewusst haben musste. Und dann hat er ihn nicht betrogen.

Die beiden Mediziner haben freilich kein Interesse, Licht ins Dunkel und sich damit eventuell in Schwierigkeiten zu bringen. Jakob und Schmidt ließen sich zunächst mehrfach entschuldigen, Schmidt musste sogar mit einem Ordnungsgeld zur Aussage nach Stuttgart gezwungen werden. Und als sie dann kamen, waren Anwälte dabei, die Ärzte selbst präpariert mit Sprachhülsen, die sie als hehre Mediziner beschrieben, die sich ausschließlich dem Wohl des Patienten verpflichtet fühlen. Man kann es kurz machen – beide bestritten vehement, Dopingmittel illegal beschafft, verabreicht oder Radprofis über Anwendung und Dosierung instruiert zu haben. Verständlich, für beide steht viel auf dem Spiel. Jakob, der 63 Jahre alte Chefarzt der Sportklinik in Hellersen, ist ein Pfund in der Szene. Olympiaarzt bei den Winterspielen von Calgary 1988 bis Turin 2006, Teamarzt Nordischer Skisport des Deutschen Skiverbandes, Mitglied der Kommission Sportmedizin des Deutschen Fußball-Bundes – Jakob kann es sich nicht leisten, mit systematischen Doping in Verbindung gebracht zu werden. Der Erfurter Schmidt auch nicht. Der 32 Jahre alte Allgemeinmediziner steht schließlich erst am Anfang seiner Karriere.

Aber es war auch nicht schwer für sie. Kritischen Nachfragen konnten sie ausweichen. Zum einen mit dem Hinweis auf ein laufendes Verfahren, weil just wegen Schumachers Vorwürfen die Staatsanwaltschaft Erfurt auf Anzeige des Heidelberger Anti-Doping-Aktivisten Werner Franke gegen beiden ermittelt. Und dann gibt es ja auch noch die ärztliche Schweigepflicht, auf die sich Mediziner zurückziehen können. Schumacher hat die beiden zwar davon entbunden, aber wenn es für Schmidt oder Jakob unangenehm wurde, zupften die Anwälte die Herren kurz am Ärmel.

Ein bisschen gaben sie aber doch preis. Legale Dinge, die aber zeigen, wie sehr die Pharmazie im Sport regiert. Das Einnehmen von Viagra zur besseren Atmung sei nicht verboten und normal, sagte Mark Schmidt. Dass man zur Senkung des Blutdrucks kurz vor dem Ziel eine Kapsel des Herz-Notfallmedikaments Nitrolingual zerbeißt, ebenso. Und wer abends nicht schlafen kann, was oft vorkommt, holt sich beim Doc eine Schlaftablette. Oder auch zwei. Für Jakob ist es kein Problem, ein Attest für Cortison zu schreiben, auch wenn er den Patienten gar nicht persönlich untersucht hat wie zum Beispiel Schumacher vor der Rad-Weltmeisterschaft 2007 in Stuttgart. Dessen angebliche Achillessehnenprobleme hat er sich von einem Kollegen schildern lassen. Überhaupt Cortison: Laut Jakob bringe das verbotene Mittel im Wettkampf fast nichts, allenfalls eine „leichte psychische Aufhellung“. Bei Epo gerät Jakob dagegen ins Schwärmen: „Das steigert die Leistung wirklich!“

Der ehemalige Teamarzt Mark Schmidt.
Der ehemalige Teamarzt Mark Schmidt.

© picture-alliance

Ein erstaunliches Wissen, denn natürlich hat er Epo weder Schumacher noch anderen Sportlern gegeben. Kurzum: Nach den Aussagen der Ärzte wird jeder Wirkstoff, der wirkt und nicht verboten ist, auch eingesetzt – natürlich nur medizinisch. Die anderen Mittel sind des Teufels und den Herren auch nahezu unbekannt. Zu Risiken und Nebenwirkungen dieser Aussagen für die Glaubwürdigkeit im Sport fragt man besser nicht. Am 19. August geht es weiter.

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